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Legalisierte Partisanen

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Nun hat das Kreml-Lager endlich auch seine Fremdenlegion. Sowjetgeneral Schtemenko ließ wissen, daß Kommandos zur „Bettung der sozialistischen Errungenschaften“ überall in deren Bereich, also auch in Jugoslawien, eingesetzt werden können, und der „Bote Stern' lizitierte: „ebenso wie in der übrigen Welt“.

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Nun hat das Kreml-Lager endlich auch seine Fremdenlegion. Sowjetgeneral Schtemenko ließ wissen, daß Kommandos zur „Bettung der sozialistischen Errungenschaften“ überall in deren Bereich, also auch in Jugoslawien, eingesetzt werden können, und der „Bote Stern' lizitierte: „ebenso wie in der übrigen Welt“.

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Schon 1968/69 wußten jugendliche Tschechoslowaken und Ungarn, die eine entsprechende Ausbildung ab 1966 hinter sich gebracht hatten, den jugoslawischen Behörden darüber zu berichten, wie man sie unter Vorspiegelung von Gefahr- und Haßbildern, mit allen strategischen Einzelheiten auf Kampfhandlungen in Ostösterreich, beziehungsweise im Nordteil des Tito-Landes vorbereitete. Wenn demnach der Verantwortliche für moralisch-politische Erziehung der jugoslawischen Armee, Generaloberst I. Dolnicar, alles andere tut, als was in Österreich derzeit von bestimmten Kreisen gewünscht wird, dann fußt das auf der Erkenntnis dringendster Notwendigkeit, die Jugend Jugoslawiens von der Bedeutung der Landesverteidigung im Interesse der Heimat, der Freiheit und der Unabhängigkeit zu überzeugen. Auf das Wort „überzeugen“ legte uns gegenüber ein Tito-Offizier besonderen Wert, d~nn damit ist sowohl die Gemeinsamkeit mit anderen freien Europavölkern als auch die moralische Wertmarke der jugoslawischen Volksarmee gegeben. Im Gegensatz zur waffenfähigen Jugend des Sowjetblocks, die von der Außer-Breschnjew'schen Welt nahezu vollkommen abgeschlossen ist — Ungarn und die CSSR bildeten da 1963 bis 1965 beziehungsweise 1969 eine zeitweilige Ausnahme — steht der jugoslawischen Jugend der Westen bis zur Aufschubgrenze der Dienstpflicht (27 Jahre) offen. Sie kann dorthin zu Besuch, zum Studium, zur Arbeit, ja sogar zu Heiratszwecken reisen, was im Interesse der eigenen Meinungsbildung von entscheidender Bedeutung ist, allerdings mit der Sowjet-Block-Praxis ganz und gar nicht übereinstimmt. Titos Armee-Wochenillustrierte „Front“ zeigt demnach schweizerische „Mirage“-Jäger ebenso wie sowjetische Kriegsschiffe der „Ri-ga“-Klasse, USA-Turbopropbomber und die österreichischen Bundes-heermanöver. Das Blatt beschreibt britische Cheeftain-Tanks, bundesdeutsche fahrbare Raketenabwehrlafetten, die Westalliierte Kommandooperation in Saint-Nazaire (1942) ... aber auch das spanische Torreroidol El Cordobes, die Apol-lo-12-Expedition, exotische Blumenarten, moderne Tänze sowie sexuelle Probleme.

Für die Jugend Jugoslawiens gilt heute der sowjetische „Sozialismus“ als einer „der aus der Kälte kommt“ und gegen den es sich lohnt, das heimatliche Selbstverwaltungssystem allenfalls auch mit dem höchsten Einsatz zu verteidigen. Im Gegensatz zur bisherigen bloßen Abschreckungswirkung der schweizerischen beziehungsweise österreichischen Verteidigungstheorie gegenüber einem mutmaßlichen Aggressor, bezieht die jugoslawische die ganze Zivilbevölkerung von 16 bis über 50 in den Kampf auch dann ein, wenn sich die reguläre Jugo-Armee aus dem feindlich überrannten Gebiet schon in das Gebirgsreduit zurückgezogen hätte. Diese neuzeitliche, auf Titos idealisiertem Partisanentum aufgebaute psychologische Einstellung historisch zu untermauern und der gesamten Bevölkerung zu vermitteln, ist unter anderem dem Film „Schlacht an der Neretva“ gelungen.

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