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Um Tierseele und Menschengeist

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Der Aufsatz „Tierseele und Mensch engeist“ von Dr. Irmgard Gindl (vgl. „Die Warte“ Nr. 8/1949) hat eine interessante Diskussion ausgelöst. Nachstehend gehen wir eine Stellungnahme von Univ.-Prof. Dr. F. Hampl, Innsbruck wieder; anschließend antwortet die Verfasserin des Aufsatzes auf seine Var- halte.

Den Versuch der Verfasserin, von der Beurteilung der tierischen Wahrnehmung als „Signal“ her zu beweisen, daß das Tier „Seele“, der Mensch dagegen „Geist“ habe, halte ich für methodisch bedenklich und in seinem Ergebnis anfeditbar. Die Verfasserin merkt selbst, daß es zunädr -i eine bloße Behauptung ist, wenn sie meint, bei Affenversuchen von der Art der von Wolfgang Köhler angestellten, sei die Banane für den Schimpansen nichts weiter als ein den Nahrungstrieb wachrufendes „Signal“, wel- dies das Tier auf ein bestimmtes „Triebziel“ hintreibe, es also mit Denken nichts zu tun habe, wenn der Affe etwa mehrere Kisten aufeinandertürme, um den begehrten Gegenstand zu erlangen. Man erwartet in folgendem eine Begründung dieser These und ist sehr überrascht, ihre Richtigkeit an dem Beispiel mit der Spinne, die die Fliege tötet, wenn sie sich im Netz verfįngt, dagegen vor ihr flieht, wenn sie ins Nest gerät, de monstriert zu sehen. Nun hat gewiß noch niemand von der Spinne behauptet, daß sie denke und ihre Handlungen als „vernünftig“ zu bezeichnen seien, und niemand wird in Abrede stellen, daß man hier wirklich von Signalen im Sinne der Verfasserin reden kann. Aber was besagt das für den Menschenaffen und die anderen Tiere der höheren Gattung? Für die Verfasserin scheint der Schluß zwingend: die Spinne denkt nicht, also denkt auch der Schimpanse nicht, und kein Problem scheint es somit für sie zu sein, daß Tier Tier ist und eine die Spinne betreffende Feststellung auch für den Affen wie selbstverständlich Geltung hat. Damit aber setzt sie letztlich genau das als gegeben voraus, was sie beweisen möchte und sollte. Denn das Fehlen von Intelligenz bei den Spinnen (und allen anderen Tieren der niederen Gattungen) hat, wie gesagt, noch niemand bestritten, wohl aber wird jeder, der geneigt ist, den Tieren der höchsten Gattung ein gewisses (natürlich weit hinter demjenigen der Menschen zurückbleibendes und zur Bildung abstrakter Begriffe unfähiges) Denkvermögen zuzusprechen, strikte leugnen, daß es angeht, in dieser Hinsicht die letztgenannten Lebewesen, das heißt die Affen und alle anderen Säugetiere mit hoch- entwickeltem Gehirn, mit den Würmern, Spinnen, Netzflüglern usw. in einen Topf zu werfen.

Zu diesen Darlegungen äußert sich im folgenden die Verfasserin des genannten Beitrages, Dr. Irmgard Gindl:

Herr Universitätsprofessor Dr. Hampl hält mir in seiner Stellungnahme entgegen, daß ich voraussetze, was ich „beweisen möchte und sollte“, nämlich: daß das Tier nicht denkt. Dieser Vorhalt kann nur aus einem Mißverständnis kommen, denn um den Beweis ist es mir überhaupt nicht gegangen. Er wäre im Rahmen eines solchen Artikels auch gar nicht zu erbringen. Es ging mir lediglich darum, den Unterschied zwischen Mensch und Tier zur Darstellung zu bringen. Der ist, soviel ich weiß, bisher am klarsten von Max Scheler herausgearbeitet worden, auf den ich mich auch ausdrücklich bezogen habe. Darum brauche ich nur noch das seiner Bücher, auf das es in diesem Zusammenhang ankommt, zu nennen: „Die Stellung des Menschen im Kosmos“, Darmstadt 1930. Außerdem verweise ich auf die Umweltlehre Ü x k ü 11 s. Ihre geschlossene Darstellung findet sich in seiner „Theoretischen Biologie“, Berlin 1928.

Die Uxküllsche Umweltlehre und die Auffassungen Schelers rechtfertigen nun, wie mir scheint, die Deutung der tierischen Wahrnehmungen als Signale, gegen die sich Herr Prof. Hampl für die höher organisierten Tiere wendet. Dasselbe gilt von der Wahrnehmungslehre meines Lehrers Karl B ü h 1 e r, der der Terminus „Signal“ entnommen ist. (Vgl. sein „Die Krise der Psychologie“, Jena 1929, S. 75 ff. Ich habe mich auf ihn in dem Zusammenhang nicht bezogen, weil er die Anzeichenfunktion, die die Wahrnehmungen nach ihm neben Signal- und Symbolfunktion haben, in der Tierreihe ansetzen läßt, obwohl ich glaube, daß er mit der Interpretation auch dieser These in meinem Sinn einverstanden wäre.) Herr Prof. Hampl gibt selbst zu, daß das Denkvermögen aller Tiere zur Bildung abstrakter Begriffe unfähig sei. Dazu muß es aber fähig sein, soll das Tier die Beziehung zwischen einer hier und jetzt gegebenen Wahrnehmungsgestalt (daß es die hat, leugne ich selbstverständlich nicht) und ihrem unanschaulichen Sinn oder ihrem — abstrakten — Begriff erfassen können. Da das die Voraussetzung für die Erfassung objektiver Gegenstände als objektive!; Gegenstände ist, kann das Tier seine Wahrnehmungen eben nur als etwas „für es“ und niemals als etwas „an sich“ begreifen. „Für es“ sind sie aber, weil sie seine Triebe aus- lösen und steuern, „Signale“.

Eine andere Frage ist die nach den Leistungen der Köhlerschen Schimpansen. Die Banane bliebe für sie auch dann Signal, w a sie den Weg zu ihr nicht sähen oder vor- stellungsmäßig antizipierten, sondern denkend erfaßten. Ebenso blieben die Wahrnehmungen, die die Wegfindung steuerten, Signale. Zur Erklärung ihrer Leistungen genügt es aber, sie als anschauliche zu begreifen. So begreift sie Scheler, obwohl er von organisch gebundener Intelligenz spricht (a. a. O., S. 40 und S. 42 ff.). Und Karl Bühler, der für sie das Wort „Werkzeugdenken“ gebraucht, hält sogar für möglich, sie rein gedächtnismäßig zu erklären. Ich habe darauf hingewiesen. Das bedeutet, daß er noch weniger als Scheler für notwendig hält, sie als solche des Denkens im eigentlichen Sinn zu interpretieren.

Was endlich den Vorwurf anlangt, ich würfe niedere und höhere Tiere „in einen Topf“, so kann der nur in einem Fehlschluß Wahrnehmungen aller Tiere als Signale begründet sein. Aus der Tatsache, daß die Leistungen der Schimpansen — von denen ich nur behauptet habe, daß sie, auch wenn man sie als intelligente deutet, im Bereich des Anschaulichen, das ist hier des Vorstellungsmäßigen, bleiben, also nicht in interpretiert wurden, folgt nicht, daß die den des Geistigen reichen — und die der Spinne auf gleicher Höhe stehen. Übrigens hält Scheler für möglich, Leistungen organisch gebundener Intelligenz schon im Infusorium nachzuweisen (a. a. O., S. 30).

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