Abtreibungsrecht in Polen: Doch Liza schrie nicht
Viele hofften nach dem Regierungswechsel in Polen auf eine Stärkung der Frauenrechte. Einiges ist auf dem Weg, doch wichtige Anliegen drohen im gesellschaftlichen Ringen unterzugehen. Die Rolle der katholischen Kirche bleibt dabei prekär.
Viele hofften nach dem Regierungswechsel in Polen auf eine Stärkung der Frauenrechte. Einiges ist auf dem Weg, doch wichtige Anliegen drohen im gesellschaftlichen Ringen unterzugehen. Die Rolle der katholischen Kirche bleibt dabei prekär.
Es war ein tragischer Fall, der Polen kurz vor dem heurigen internationalen Frauentag erschütterte: Am 25. Februar wurde die 25-jährige Liza im Zentrum von Warschau vergewaltigt und ermordet. Erst zwei Wochen zuvor hatte eine Abgeordnetengruppe unter Führung der „Neuen Linken“ ein Gesetz ins Parlament eingebracht, das die Definition von Vergewaltigung zugunsten der Opfer ändern soll. Die bisherige Regelung, bei der das Opfer die Beweislast trägt, geht im Kern auf ein Gesetz von vor hundert Jahren zurück: Demnach muss die Frau bei der Gewalttat um Hilfe rufen, fehlende Schreie wurden bei Prozessen der letzten Jahre mitunter als Zustimmung gewertet. Doch Liza schrie nicht.
Die Journalistin Martyna Bunda kommentierte daraufhin im Wochenmagazin Polityka Folgendes: „Ihr Tod und die damit einhergehenden Arbeiten an der Änderung der Gesetze zur Vergewaltigung offenbaren auch das Ausmaß der Angst, in der Frauen tagtäglich leben. Und neben der Angst gibt es das Gefühl der Erniedrigung, der Ungerechtigkeit, der Von-obenherab-Behandlung.“ Gegen all dies protestierten nach dem Tod Lizas am 6. März zahllose Frauen in Warschau. Zwei Tage später, am internationalen Frauentag, standen sie auch vor dem Palast von Staatspräsident Andrzej Duda von der im Oktober als Regierungspartei abgewählten „Recht und Gerechtigkeit“ (PiS), um Druck auf ihn aufzubauen, sich einer von der neuen Regierungskoalition geplanten Liberalisierung des Abtreibungsrechts nicht zu widersetzen. Die Demo schloss mit einer Schweigeminute – für jene sechs Frauen, die seit 2020 aufgrund des Abtreibungsverbots gestorben sind.
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