Die rechte Attacke gegen die EU

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Eine Europa-Allianz der europafeindlichen Rechtsaußen-Parteien? Was paradox klingt, könnte schon bald in Angriff genommen werden.

"Wir werden den Brüsseler Zentralismus nicht kampflos hinnehmen. Wir müssen dafür kämpfen, dass die Hochkulturen der europäischen Völker und ihre Muttersprachen erhalten bleiben”, erklärt der freiheitliche EU-Abgeordnete Andreas Mölzer in einer Videobotschaft aus seinem Brüsseler Büro. Bereits im Sommer hat der Chefideologe der FPÖ begonnen, ein rechtes Bündnis zu schmieden und organisierte ein geheimes Treffen europäischer Rechtspopulisten in Wien. Mit dem Ziel vor Augen, eine gemeinsame Fraktion im Europa-Parlament zu starten.

Bisher bemühen sich sechs rechte Parteien um eine engere Zusammenarbeit auf EU-Ebene: Neben der FPÖ und der niederländischen Freiheitspartei (PVV) sind das die italienische Lega Nord, der französische Front National, der belgische Vlaams Belang und die Schwedendemokraten. Ganz so einfach dürfte es nicht werden, das erforderliche siebente Mitglied zur Bildung einer Fraktion zu finden: Bisherige Versuche, eine rechte Europa-Allianz zu bilden, sind gescheitert. 2007 zerbrach die Fraktion "Identität, Tradition, Souveränität“ binnen weniger Monate an nationalistischen Spannungen.

Keine Europa-Vision, kein Spitzenkandidat

Für die Europa-Wahl am 25. Mai bestätigen sämtliche Umfragen, dass die europaskeptischen Rechtsparteien stark zulegen werden (siehe Artikel rechts). Doch finden die Rechten überhaupt gemeinsame Themen? Bei ihren nationalen Motiven dürfte das schwierig werden. "Die Frage ist auch, inwieweit diese Parteien Europa als Reformprojekt sehen und überhaupt mitgestalten wollen“, sagt die Politologin Kathrin Stainer-Hämmerle. Sie glaubt nicht, dass die Rechten eine gemeinsame Europa-Vision entwickeln können: "Die FPÖ spricht ja offen von einer innenpolitischen Abrechnung.“

Noch steht kein gemeinsamer Spitzenkandidat der rechten Allianz fest. Der geübte EU-Parlamentarier Mölzer könnte sich als Sprachrohr eins rechten Bündnisses entpuppen, denn die FPÖ spielte bei der Entstehung der Allianz eine führende Rolle. Immerhin ist die FPÖ neben dem Front National eine der stärksten Rechtsparteien der EU. Gemeinsam mit Italiens rechtspopulistischer Lega Nord plant die FPÖ eine Wahlkampf-Kampagne an der italienisch-österreichischen Grenze. Eine ähnliche Kampagne ist mit dem Front National geplant. Mölzer und auch der erstmals für das Europaparlament kandidierende FPÖ-Generalsekretär Harald Vilimsky waren nicht zu einer Stellungnahme gegenüber der FURCHE bereit.

Die Pläne der Freiheitlichen für Europa sind klar: Raus aus dem Euro, die Grenzen zusperren, eine höhere Autobahn-Maut für Ausländer einführen. "Sollten diese FPÖ-Ideen je Realität werden, würden sie unser Land wirtschaftlich ruinieren“, empört sich Jörg Leichtfried, SPÖ-Delegationsleiter im Europäischen Parlament. Denn Österreich profitiere von der Mitgliedschaft in der Euro-Zone: "Warum sagt niemand, dass 80 Prozent der Exporte in den Euro-Raum gehen? Warum sagt niemand, dass seit dem Euro-Beitritt der Anteil der Exportindustrie an unserer Wertschöpfung um 20 Prozent gestiegen ist?“ Ein Ausstieg aus dem Euro würde nach Leichtfrieds Berechnungen 30 bis 40 Milliarden Euro kosten. "Ausländische Autofahrer höher zu bemauten und die Grenzen zu schließen würde sich auch negativ auf unser zweites Standbein, den Tourismus, auswirken“, gibt Leichtfried zu bedenken.

EU-Austritt sehr unrealistisch

Die Ernsthaftigkeit der freiheitlichen Europa-Ziele bezweifelt auch Stainer-Hämmerle: "Wenn die FPÖ in Regierungsverantwortung wäre und die Folgen eines EU-Austrittes absehen könnte, wäre sie da sicher zurückhaltender.“ Dass die Freiheitlichen ihre Ideen in absehbarer Zeit umsetzen können, ist äußerst unwahrscheinlich. Denn um im Europa-Parlament etwas zu erreichen, muss man Mehrheiten finden. "Es gibt keinen einzigen Antrag, den die FPÖ in den letzten fünf Jahren durchgebracht hat. Jeder, der blau gewählt hat, hat seine Stimme für das europäische Parlament weggeworfen. Die Freiheitlichen sind zwar nicht gratis in Brüssel, aber umsonst“, resümiert Leichtfried.

Die geplante Allianz hält Leichtfried für ein Strohfeuer: "Bei den Nationalisten treffen Widerwille, geringe Arbeits- und Kooperationsbereitschaft und geballte Inkompetenz aufeinander.“ Tatsächlich machen die Freiheitlichen in Brüssel keine Fraktions- oder Ausschussarbeit. Die grüne Europa-Abgeordnete Eva Lichtenberger berichtet, dass sie die Rechtsaußen-Protagonisten nur im Plenum antrifft: "Ab und zu gibt es ganz aggressive Zwischenrufe und Schreiduelle - allerdings nicht von Seiten der Österreicher. Da entsteht schon ein Klima, das einem zu denken gibt.“ Lichtenberger sieht nicht in den Aktivitäten der Rechten die große Gefahr, sondern in den Reaktionen anderer Parteien: "Ich habe eher Bedenken, dass konservative und manchmal auch sozialistische Parteien versuchen, den Rechten mit den gleichen Themen die Stimmen abzugraben.“

Europa von innen aushöhlen

Dass eine Fraktion der Nationalen europaweit zusammenarbeitet, um Europa zu bekämpfen, scheint paradox. "Ich stelle mir diese Fraktion mit Frau Le Pen und Herrn Wilders jetzt schon lustig vor: Wie soll sich Herr Mölzer mit ihnen überhaupt sprachlich verständigen?“, belustigt sich Leichtfried. Auch inhaltlich sind sie weit voneinander entfernt. Die größte Streitfrage ist das Thema Antisemitismus: "Hier grenzt sich Le Pen als Nicht-Antisemitin ganz stark gegen die FPÖ ab“, betont Stainer-Hämmerle.

Eurokrise, Bürokratie, mangelnde Bürgernähe: Seit dem EU-Beitritt Österreichs 1995 haben vor allem die Europagegner das Thema Europa für sich genutzt. "Man hätte diesen Kampf um Europa mit der gleichen Vehemenz weiterführen müssen wie jene, die Europa nicht wollen“, meint Leichtfried im Rückblick selbstkritisch. Wenn etwas schief läuft, war es die EU, wenn etwas gut läuft, war es die nationale Regierung - ein parteien- und länderübergreifendes Phänomen. "Aber auch die ÖVP hat sich von einer aktiven Europapolitik verabschiedet und die SPÖ hat ihre Liebe zu Europa erst kürzlich entdeckt“, analysiert Stainer-Hämmerle.

Außerdem konnte die europäische Linke in sozialen Fragen wenig bewegen: "Die EU als Gerechtigkeitsprojekt ist bisher nicht gelungen. Soziale Standards in der EU sind bis heute nicht vereinheitlicht worden“, so Stainer-Hämmerle. Außerdem brauche es mehr Maßnahmen zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit und in Richtung Umverteilung und Steuergerechtigkeit. Die Versäumnisse im Sozialbereich spielen den Rechten in die Hände: "Sie geben vor, den kleinen Mann vor den Kapitalisten zu schützen, der sich ungebildet und unmobil dem Wettbewerb innerhalb der EU ungeschützt ausgesetzt fühlt. Auch die Kriminalität eignet sich gut, um Angst vor den offenen Grenzen zu schüren“, meint Stainer-Hämmerle.

Solange die EU viele mehr als Bedrohung denn als Chance wahrnehmen, wird die europäische Rechte zulegen. Die große Frage wird auch in der nächsten Legislatur-Periode des Europäischen Parlaments lauten: Wie kann man die Bevölkerung mitnehmen und wie können möglichst viele von einem vereinten Europa profitieren?

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