Streeruwitz - <strong>Feministin und Poetin</strong><br />
Streeruwitz ­befasst sich auch in ­ihrem neuen Text mit dem männlichen Machtanspruch, verpackt in ein ausgeklügeltes poetologisches Konzept. - © APA / Georg Hochmuth

„Das Kaputte als Blaupause des Richtigen“

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Die österreichische Schriftstellerin Marlene Streeruwitz macht in ihrem neuen Roman „Familiengeschichten der Familienzerstörung“ sichtbar, die sich in den patriarchalen Strukturen unserer Gesellschaft widerspiegeln.

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Die österreichische Schriftstellerin Marlene Streeruwitz macht in ihrem neuen Roman „Familiengeschichten der Familienzerstörung“ sichtbar, die sich in den patriarchalen Strukturen unserer Gesellschaft widerspiegeln.

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Jeden Morgen das gleiche Ritual. Die Emotion des Mannes, den sie liebt, nimmt sie erst in seinem „Lächeln beim Frühstückskaffee“ wahr. Sie braucht, ja ersehnt es, als ­Freigabe für den Tag. In der winzigen Wohnung ist vieles provisorisch, sie würden ja nur für ein paar Monate hierbleiben. Also eilt sie auf der Suche nach einem guten Kaffee durch das vereiste Stockholm, während er zu warten verspricht. Als sie zurückkommt, sieht sie ihn das Haus verlassen.

Mit diesem Szenario eröffnet die österreichische Schriftstellerin Marlene Streeruwitz ihren neuen Roman „Flammenwand“, der mit seinem ausgeklügelten poetologischen Konzept nahezu nahtlos an ihre früheren Werke anschließt. Schon mehrfach hat sie es in ihren Poetikvorlesungen auf der Basis einer feministischen Literaturtheorie entlang sprachkritischer und gesellschaftspolitischer Überlegungen dargelegt. Der Titel dieses „Romans mit Anmerkungen“ rekurriert auf Dantes „Göttliche Komödie“, worauf Streeruwitz in einem Interview selbst verweist: „Wenn Dante mit Vergil ins Paradies kommt, also den Übergang vom Fegefeuer ins Paradies macht, müssen sie noch einmal durch eine Flammenwand, und das ist Firewall auf Englisch, [...] aber das ist der Ort der Moderne.“ Obgleich die „Flammenwand“ nie explizit thematisiert wird, fungiert sie hier als zentrale symbolische Erfahrungs­dimension. Streeruwitz begreift sie als ­Zone des Festsitzens und „Nicht-Weiter-Kommens“ auf dem Weg zum „Paradies“. In den zahlreich gelegten literarischen Fährten macht ein intertextueller „Sternenschauer“ das „Kaputte als Blaupause des Richtigen“ in den „Familiengeschichten der Familienzerstörung“ manifest.

Flirrender Gegenwartsroman

Das Handlungsgeschehen bettet Streeruwitz in einen konkreten politischen Referenzrahmen ein. In Anmerkungen am Schluss listet sie minutiös Aktionen der österreichischen „Türkis-Blauen Regierung“ von März bis Oktober 2018 auf, darunter auch Gesetzesnovellen oder ideologische Neupositionierungen, um ihre Literatur bereits selbst im Entstehungskontext zu verorten und die gesellschaftspolitische Matrix zu entblößen, innerhalb derer die Handlungsfiguren betrachtet werden müssen.

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