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Drei Wochen Rundfunk

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Genügt ein außergewöhnliches Ereignis pro Sender innerhalb von drei Wochen? Es muß wieder gesagt werden: Der Rundfunk hat nicht nur die Aufgabe, als kommerzielles Unterhaltungsunternehmen seine Kunden mit bewährt Gutem, Sicherem zufrieden zu stellen, sondern auch als Kulturinstitution Besonderes, Unerprobte6, eben Außergewöhnliches zu bringen, Mut zu haben, sich ein (nicht einen!) Verdienst zu erwerben. Und dafür ist eine einzige Sendung für drei Wochen zu wenig.

Diese eine Sendung war bei Ravag „Wien 2074 von Dr. Viktor Suchy nach dem Buch von Hermann Gohde „Der achte Tag“ in der Reihe „Hier spricht Utopial . Inmitten der vollautomatischen, autonomen Mensdiheitsgesellschaft, in der die vergangenen Kulturen nur mehr als läppische, überwundene Atavismen angesehen werden, existiert doch noch Christentum — freilich nur in der Form hochgefährdeter Untergrundbewegung, aber in einer Intensität, die wirkliches Opfern, wirkliches Lieben ermöglicht, auch wenn es nur wenige sind, die es tragen und ertragen. Eine hochaktuelle, inhaltlich und formal spannende und erregende Sendung.

Die Parallelsendung bei Rot-Weiß-Rot war „Wendemarke“ des Nobelpreisträgers William Faulkner, freilich nicht in eigener Produktion, sondern vom Sender Bremen. Da6 Bemerkenswerte war die Qualität der Darbietung, die hierzulande nur selten erreicht wirdj endlich einmal nicht „gesendetes Theater , das genau so falsch ist wie „gefilmtes Theater , sondern rundfunkrichtige Gestaltung, kein Natürlich-Tun, sondern Natürlich- Sein der Schauspieler, prägnanter Wechsel zahlreicher verschiedene Schauplätze durch entsprechende Akustik — freier Platz, Halle, Straße, ja selbst kleines und großes Zimmer —, Geräusche nicht nur als Kulisse, sondern auch mit dem Wort verwoben, stellenweise auch zuviel Geräusche, wodurch die durch die norddeutsche Spradifärbung ohnehin etwas geminderte Verständlichkeit beeinträchtigt wurde, und höchste Präzision — der Name des Regisseurs muß genannt werden: Gert Westphal. Inhaltlich blieb die Rundfunkbearbeitung hinter dem Roman zurück. Die seltsame, realistische Geschichte der Frau, die mit zwei Männern lebt, Rennflieger der eine, berufsmäßiger Fallschirmspringer der andere, harte, abenteuerliche, geldjagende Menschen, dazwischen ihr Kind, alles gesehen aus der Perspektive eines kleinen, schüchtern-empfindlichen, in diesem Rahmen scheinbar schwächlichen Reporters — übrigblieb die erregende Atmosphäre eines Luftrennens um eine Wendemarke, abstürzende Maschinen, Zeit- und Prämienangaben und skizzenhafter Abriß der Menschen; nicht ganz Faulkner.

Das übrige der Ravag beschränkte sich auf harmlose Lustspiele und Volksstücke (Thoma, Anzengruber) — wirklich Harm-lo6? —, aus dem nur einige gute, im Programm konventionelle Konzerte hervortraten. Bemerkenswert noch die laufenden Sendungen „Variationen über Themen des täglichen Lebens“ von Hubert Haßlinger, klug, herzensgescheit 6charf beobachtet und sehr fein in der Diktion.

Von Rot-Weiß-Rot ist noch von einer „Salome“-Aufführung (Oskar Wilde) zu berichten, die sehr Starkes neben 6ehr Schwachem gab, vor allem aber in Oskar Werner einen Darsteller des Jodianaan, der schlechthin vollendet war. Endlich einmal nicht der asketisch überhitzte, psalmodierende und opernhaft rezitierende Heilige, sondern schlicht, sehr innerlich, manchmal innig, ruhig, absolut überzeugend, kein markierter Übermensch, sondern ein Mensch, aber ein heiligmäßiger.

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