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Kunst und Kultur - nach den Wahlen

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Die nunmehr zu Ende gehende Wahl-rhetorik ist diesmal, von wenigen Ausnahmen abgesehen, auffallend im Zeichen nüchterner wirtschaftlicher Parolen gestanden. Es scheint, daß auch in solchen „Kriegen“ „die Musen zu schweigen“ haben... Um so dringlicher erscheint es jetzt, uns wieder langsam dem Stiefkind aller Massenwerbung: der harten Situation von Kunst und Kultur nach den Wahlen zuzuwenden. Die Kulturdiskussion in Oesterreich zwischen den Vertretern der beiden großen Parteien beschränkt sich im allgemeinen auf die — unbestritten wichtige — Schulfrage. Diese liegt eben in der „Praxis“, wie sich der kulturentfremdete Mensch von heute auszudrücken pflegt, am nächsten. Der volle Wert der Kunstausübung und die damit verbundene Verpflichtung zur Förderung von Kunst und Künstlern ist den Politikern von heute zuwenig geläufig. Dies ist freilich in der Zeit gelegen. Die Bevorzugung des „Praktischen“, des „Ertragreichen“, des „Produktiven“ droht heute weitgehend das Musische zu verdrängen. Musikunterricht im Rahmen der Kindererziehung tritt in allen Kreisen zugunsten des Sportlichen zurück, weil man die zwar nicht greifbare, doch nach der Erkenntnis der Pädagogen ungeheuer wichtige Funktion der musischen Erziehung der Jugend nicht schätzt.

Man hört nun häufig die Ansicht, diese Situation könne aus der Welt geschafft werden, wenn der wirtschaftliche Wohlstand so weit gesichert wäre, daß man sich dann „mit aller Kraft auf die Pflege des Kulturellen verlegen“ könnte. Die Gegenwartslage läßt uns solche Versprechen mit größter Skepsis aufnehmen. Es ist viel eher zu befürchten, daß ohne Gedeihen des Geistigen auch das „Nützliche“ mit der Zeit schweren Schaden leidet.

Trotzdem dürfen politisch-wirtschaftliche und kulturell-künstlerische Standpunkte nicht schroffe Alternativen sein. Das politische Geschehen wirkt auf alles im Staate und in der Gesellschaft ein. Da in der Demokratie das Volk auf dem Umweg über die Parteien und ihre Funktionäre durch das Parlament spricht und Entscheidungen trifft, so müssen auch in kulturellen Belangen durch die Parteien und ihre Abgeordneten die kulturellen Interessen des Volkes, das solche Interessen hat, vertreten werden. Und zwar sind sie nicht tendenziös-propagandistisch und oberflächlich, sondern mit Ueberzeuuung — und mit Nachdruck zu vertreten. Resolutionen und mitleidige Feststellungen zur Not der geistig Schaffenden reichen dazu nicht aus. Diese Situation braucht Taten.

Um diese Taten setzen zu können, brauchen die Verantwortlichen künstlerische Berater. Hier taucht immer wieder der Verdacht auf, daß man von dem Geistesarbeiter keine praktischen Ratschläge annehmen könne, weil sie zu „lebensferne“ und „unpraktisch“ seien. Nun können aber die politisch Geschulten und die Verwaltungsbeamten nicht die Kenntnis der innersten Belange der Kulturerfordernisse haben. Sie brauchen die Fachleute, die künstlerischen Berater (nicht bloß die „Liebhaber“ in Kunstsachen). Und es gibt diese Fachleute.

Wir glauben also, daß sich das neue Parlament, die Parteiführer und Funktionäre in Zukunft auch positiv und real mit den Kultur- und Kunstfragen werden auseinandersetzen müssen. Der Hinweis auf den geschwächten Staatshaushalt ist nicht überzeugend. Es gibt auch sparsame Wege, Einsparungen zugunsten der Kultur. Wenn man nur will! Wenn man nur die Bedeutung der Kunst schätzen lernt. Neben der materiellen Hilfe braucht das Kulturleben auch das geistige Verständnis von Seiten der Politiker.

Die Kulturschaffenden erwarten, daß sich das neue Parlament entscheidend und nicht auf Grund eigensüchtiger Interessen einer einzigen Partei mit dem Thema Kunstförderung befaßt und die finanziellen Mittel bereitstellt, daß die wirklich Tüchtigen wirklich wirken können. Als wirtschaftliche und politische Macht kann Oesterreich zwar angesehen sein, Großmacht jedoch kann es nur auf geistigem Gebiet werden. Warten wir also nicht, bis sich unsere Wissenschaftler, Schriftsteller und Bildhauer zur Berühmtheit „durchgehungert“ haben, um dann der Oeffentlichkeit als Aushängeschild für die Bedeutung Oesterreichs als Kulturland zu dienen, sondern geben wir jenen sofort die Möglichkeit zur weltweiten Betätigung. Dann aber darf kein Proporz die Auswahl bestimmen. Wir brauchen musische Fachleute, die mit ihrem fundierten Fachwissen . der Kulturverwaltung zur Seite zu stellen sind. Mit der Wiederanerkennung der schöpfe-lischen Arbeit als Spitzenleistung wird ein wertvoller, realer Beitrag zur Sicherung unserer Existenz und unserer Lebensform geleistet werden können.

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