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Raab?

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Man sage nicht, die österreichisch Politik sei zu keiner Überraschung mehr fähigl Die Nachricht der vergangenen Woche, der zufolge die Österreichische Volkspartei erwägt, Altbundeskanzler Raab als Kandidaten für die Bundespräsidentenwahl des kommenden Frühjahrs aufzustellen, war zweifellos eine solche.

Inzwischen ist eine Vorentscheidung bereits gefallen. Die Bundesparteileitung der Österreichischen Volkspartei ist sich darüber einig geworden, bei der für den 28. April angesetzten Präsidentenwahl einen eigenen Kandidaten ins Rennen zu schicken. Jene Ansicht, die für „Kampf um jeden Preis“ ist, hat gegenüber der Meinung, es wäre für die Partei diesmal tragbar und vielleicht aus mehr als einem Grund besser, bei der Kandidatur des amtierenden Bundespräsidenten keinen Gegenkandidaten zu stellen, die Überhand bekommen. Wir haben mit unserer Ansicht zu dieser Frage nicht hinter dem Berg gehalten und sie auch wohl begründet. Nun gut, es soll also wieder gekämpft werden. Wer wirklich recht gehabt hat, das wird man am Abend des 28. April wissen. Oder drei Wochen später ...

Für einen Kampf braucht man aber auch einen Kämpfer. Für eine Bundespräsidentenwahl einen zugkräftigen Kandidaten. Und da wird die ganze Sache schon problematischer. Leopold Figl hat von allem Anfang an entschieden abgewunken. Er weiß, warum. Kanzler Gorbach widersetzt si'cli auch einer solchen Schilderhebung. Univ.-Prof. Qschnitzer ist der Favorit jener Kreise, die die Politik der Volkspartei überhaupt nur mehr aus dem Blickwinkel der Reaktion nationaler und liberaler Kreise sehen können.

Doch da fiel mitten in die Diskussion das Zauberwort: Julius Raab! Der „Vater des Staatsvertrages“ als Kandidat der Volkspartei für das höchste Amt im Staat: das ist nicht nur eine echte Überraschung, das wäre gewiß auch ein Wahlschlager. Mehr noch: ein Präsidentschaftskandidat der Volkspartei mit realen Chancen. Viele Österreicher würden es bestimmt gerne sehen, wenn der „große alte Mann“ der Nachkriegszeit seine politische Laufbahn im Amalientrakt der Wiener Hofburg beschließen könnte.

Aber . . . das große „Aber“ darf nicht verschwiegen oder leichtfertig wegdiskutiert werden. Julius Raab hat — leider — harte Attacken gegen seine Gesundheit hinter sich. Gegenwärtig fühlt er sich wieder recht wohl. Aber dieses Wohlbefinden hat einen gemäßigteren Lebensrhythmus zur Voraussetzung.

Julius Raab ist gegebenenfalls bereit, sich der Partei, der er sein Leben verschrieben hat, in einer heiklen Situation ohne Rücksicht auf seine Person zur Verfügung zu stellen. Darf aber die Volkspartei dieses Opfer, aus dem leicht eine Aufopferung werden könnte, von Julius Raab annehmen? Eine Präsidentschaftskampagne ist keine Kleinigkeit, und das Amt des Bundespräsidenten mit seinen vielen Verpflichtungen schon gar nicht. Aus dieser echten Besorgnis für einen Menschen, dessen Parteitreue nicht zur Selbstaufopferung mißbraucht werden darf, kam wohl auch der Gedanke der ..Kleinen Zeitung“, daß eine Kandidatur des Altbundeskanzlers erst nach einer Untersuchung durch ein objektives Ärztekollegium von der ersten Regierungspartei verantwortungsbewußt erwogen werden dürfte.

Wer trägt die Verantwortung für das Leben von Julius Raab? Wir alle, wenn wir in dieser Stunde schweigen oder die Kandidatur des Altbundeskanzlers bedenkenlos als der Weisheit letzten Schluß verkünden!

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