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Geschichte einer großen Erfindung
V2 — Der Schuß ins Weltall. Von Dr. Walter Dornberger, Bechtle-Verlag, Eßlingen, 294 Seiten
Daß der Krieg der Vater aller Dinge ist, gehört zu den Pseudoweißheiten der Geschichte. Im Bereich einer Wissenschaft, die sich ungestüm ankündigt, nämlich der Weltraumfahrt, scheint dies tatsächlich zuzutreffen. Bei der vorjährigen Tagung der Aeronautischen Vereinigungen in Stuttgart fiel der Vortrag eines grauhaarigen, sehr energischen Gelehrten über die zukünftigen Möglichkeiten der Erschließung des Weltraumes besonders auf: es war niemand anderer als der frühere deutsche Generalmajor Dr. Walter Dornberger, mit dessen Namen die stürmische Entwicklung der Rakete als Kriegs- und Friedensinstrument zu engst verbunden ist. Als er in Stuttgart sprach, lag seine Tätigkeit als Berater der US-Streitkräfte nach 1945 hinter ihm, aber der wissenschaftliche Impuls, die Rakete als eine Möglichkeit der Erschließung neuer Räume für die Menschheit einzusetzen, war der Tenor seiner Ausführungen. Um so interessanter wirken seine Aufzeichnungen, die in nüchterner Form vieles von dem zerstören, was sensationelle „Reporter“ über die sogenannten Wunderwaffen Hitlers in den letzten Jahren zu berichten wußten.
Vor allem geht aus dem Werk hervor, daß die Entwicklung der Raketenwaffen selbst seit 1930 innerhalb der deutschen Reichswehr und später in der Wehrmacht Hitlers wissenschaftlich betrieben
wurde und die Verantwortlichen über den militärischen Zweck hinaus immer an die Zukunftsmöglichkeiten der Weltraumfahrt dachten.
Daß die Raketenwaffe schon längst in den europäischen Heeren eine Rolle spielte, beweist nebenbei bemerkt die Tatsache, daß die Armeen Alt-Oesterreichs, ebenso wie Großbritanniens, eigene Korps dieser Waffengattung besaßen. Hitler hat offenkundlich den Charakter und die Möglichkeiten dieser Waffe nicht erkannt, sonst wäre der Leidensweg, den die Forscher von Peenemünde durchmessen mußten, kaum erklärbar. Jedenfalls waren die Endergebnisse der Entwicklung, ob sie nun V 1 oder V 2 hießen, keinesfalls kriegsentscheidend, obgleich sich später die Propaganda vergeblich auf diese Wunderwaffen festzulegen versuchte.
Dornberger hat meisterhaft die Kompetenzstreitigkeiten der organisierten Anarchie des Dritten Reiches selbst in bezug auf die vordringlichsten Rüstungsvorhaben der V-Waffen geschildert, aber auch bewiesen, daß diese noch unentwickelten Geräte durch das Gesamtgeschehen an den politischen und militärischen Fronten keineswegs die Waagschale des Sieges hätte beeinflussen können. Der Techniker und der Historiker werden deshalb dieses mutige Werk besonders begrüßen.
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