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Geheimnisvolle Wunderwaffen

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DIE GEHEIMWAFFEN DES DRITTEN REICHES. Von David Irvin j. Sigberl-Mohn- Verlag. 370 Seiten.

Uber die sogenannten deutschen Geheimwaffen ist bereits vieles von Laien geschrieben worden. Diese Sensationsberichte haben nicht zum geringsten Teil dazu beigetragen, da und dort die Meinung entstehen zu lassen, daß Deutschland im letzten Moment noch mit Hilfe sagenhafter Waffen den zweiten Weltkrieg hätte gewinnen können. Der Verfasser hat auf Grund der Auswertung der deutschen und der britischen Geheimakten und unter Heranziehung vieler mündlicher Berichte einen Komplex der sogenannten „Wunderwaffen” behandelt, nämlich die tatsächlich eingesetzten V-Waffen (Vergeltungswaffen). Dabei handelt es sich um zwei vollkommen verschiedene Entwicklungen, die von den Stellen der Luftwaffe und des Heeres getrennt unter heftigster Konkurrenz begonnen wurden und viel zu spät soweit ausreiften, daß sie 1944 bedingt einsatzfähig waren. Die wirksamere Waffe war die V 1, eine unbemannte Flügelbombe, deren Zielgenauigkeit zwar gering war, die jedoch als erste Vergeltungswaffe 1944 nach der Invasion immerhin in London und später, vor allem bei der alliierten Besetzung von Antwerpen, noch beträchtlichen Schaden anrichtete. Der Verfasser hat den spannenden Kampf des britischen Geheimdienstes um die Erkundung der deutschen Vorhaben ebenso geschildert wie das Tauziehen der verschiedensten Stellen der Luftwaffenführung, des OKH und nicht zuletzt der deutschen Rüstungsindustrie um die Produktion dieser Waffen. Weit größere Bedeutung für die Zukunft hatte die Entwicklung der unter dem Decknamen A 4 konstruierten Rakete, die dann unter der Bezeichnung V2 zum Einsatz kam und den Grundtyp für die heutigen amerikanischen Raketen darstellt. Ihre Entwicklung ging zurück auf die Zeit der Reichswehr, da man versuchte, auf der Raketenbasis das Verbot der schweren Artillerie zu umgehen, und erst das lebhafte Interesse Hitlers ab 1942 und später Himmlers förderte die Versuche in Peenemünde. Auch hier wird man den Eindruck nicht los, daß die Vielgeleisigkeit der Experimente und der Kampf um die zukünftige Kompetenz dieser Superwaffe ein Abbild der vielschichtigen Machtkämpfe hinter den Kulissen des Dritten Reiches darstellt. Zuletzt kam die gesamte Raketenwaffe noch in den Bereich der SS, und riesige Fertigungsstellen, von denen eine auch das Rax-Werk bei Wiener Neustadt war, sollten ein noch unausgereiftes Gerät zur Vollendung bringen, ohne daß die technischen Voraussetzungen restlos gegeben waren. Interessant ist es, daß weder die deutschen Wehrmachtsstellen noch die Forscher um Braun und Dornberger eine Ahnung davon hatten, daß im 19. Jahrhundert die österreichische Armee bereits eine ausgereifte Raketenwaffe besaß, die übrigens ihre Geburtsstätte in Wiener Neustadt hatte und deren Brauchbarkeit 1848/49 bewiesen wurde.

Irvings Dokumentation ist für den Techniker und den Historiker in gleicher Weise ein wertvolles Sachbuch und ein spannend geschriebener Beitrag zum Schlußabschnitt des zweiten Weltkrieges.

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