Werbung
Werbung
Werbung

Bei der heurigen Berlinale gingen die Favoriten leer aus. Mit Fatih Akins "Gegen die Wand" triumphierte nach 18 Jahren wieder ein deutscher Film.

Der deutsche Film eilt von Triumph zu Triumph. Letztes Jahr der Auslands-Oscar für Caroline Links "Nirgendwo in Afrika". Der Darstellerpreis für Katja Riemann in Venedig. Der Preisregen für "Good Bye, Lenin" mit acht deutschen und sechs europäischen Filmpreisen. Und jetzt der Goldene Bär für ein deutsches Drama, dessen Regisseur Fatih Akin nur mit Mühe davon überzeugt werden konnte, den Film im Wettbewerb und nicht in der Nebenreihe "Panorama" zu zeigen. Festivalchef Dieter Kosslick, ein Förderer des deutschen Films, wollte neben Romuald Karmakars "Die Nacht singt ihre Lieder" noch einen zweiten deutschen Beitrag im Wettbewerb. Und siehe da: "Gegen die Wand" heißt das prämierte Werk, mit dem Akin, gerade 30 Jahre alt, bei der Berlinale triumphierte. Schon 18 Jahre ist es her, dass hier ein deutscher Film gewonnen hat.

Viel Blut, Sex, Gewalt

Akin erzählt eine brutale, harte Geschichte mit viel Blut, Sex und Gewalt. Die Figuren, sie schreien ihre Wut heraus, der Film ist düster, aber zuglich höchst leidenschaftlich. Der 40-jährige Cahit hat einen Selbstmordversuch hinter sich (mit dem Auto "Gegen die Wand"), die 20-jährige Sibel auch. Beide sind türkischer Herkunft. Sibel versuchte, sich das Leben zu nehmen, weil sie ihrem traditionsverhafteten Elternhaus entfliehen wollte. Am Krankenbett lernt man sich kennen und Sibel bittet Cahit, sie zum Schein zu heiraten. Beide teilen sich fortan eine Wohnung, aber nicht das Leben. Bis sich langsam die Liebe in beider Herzen einschleicht. Ein Film, der seinen jungen Regisseur zum Star machen wird. Akin wird demnächst in Lars von Triers Projekt "Visions of Europe" einen von 25 Kurzfilmen gestalten. "Gegen die Wand" ist der erste Film einer Trilogie, die Akin "Liebe, Tod und Teufel" nennt. Vor allem die Zweiteilung der Welt in die Bösen aus dem Osten und die Guten aus dem Westen stößt dem Deutsch-Türken sauer auf. Man darf gespannt sein, was Akin aus diesem Spannungsfeld macht, wenn er erforschen will, "wie böse der Teufel wirklich ist".

Religion im Alltag

Der Sieg für "Gegen die Wand" kam überraschend. Denn obwohl das Festivalprogramm heuer allgemein eher als lau empfunden wurde, kristallisierten sich bis zum Schluss doch einige Favoriten heraus. Sie alle blieben letztlich aber ohne Preis.

Richard Linklaters "Before Sunset" etwa, in dem sich Ethan Hawke und Julie Delpy nach neun Jahren in Paris wieder treffen, nachdem sie sich in "Before Sunrise" (1995) für eine Nacht in Wien kennen- und lieben lernten. Eine dialoglastige, aber intelligente Liebesgeschichte, fernab vom verkitschten Postkarten-Paris, sondern mitten aus dem Leben. Doch die Jury, geführt von US-Schauspielerin Frances McDormand, ließ das kalt.

Ebenso wie Ken Loachs hervorragendes Drama "Ae Fond Kiss", das die Liebesbeziehung zwischen einer britischen Katholikin und einem pakistanischen Moslem erforscht. Die Geschichte zeigt, wie streng Religion den Alltag bestimmen kann: Während der junge Moslem zwischen seiner Liebe und seiner streng religiösen Familie hin und hergerissen ist, bleibt auch das (berufliche) Fortkommen der Britin religiös bestimmt: Als sie einen Lehrerjob bekommt, muss sie sich um eine moralische Genehmigung durch den örtlichen Pfarrer bemühen: Der aber versagt ihr seine Unterschrift, weil sie in wilder Ehe mit einem Muslimen lebt.

Religion im Alltag - eines der Hauptthemen der diesjährigen Berlinale. Religion als Trostspender, Schutzgeber, Verzweiflungsbekämpfung. Und: Als Hindernis für so manche Liebesgeschichte.

Ein weiteres Thema: Starke Frauen. Nicht nur Charlize Theron, prämiert als beste Darstellerin in "Monster", in dem sie die USSerienkillerin Aileen Wournos spielt, schlüpft in die Rolle einer Frau, die sich in der männerdominierten Welt behaupten (und diese schließlich gewaltsam beseitigen) will. Auch die junge Kolumbianerin Catalina Sandino Moreno, ex aequo mit Theron ausgezeichnet, muss in "Maria voll der Gnade" gegen die Männlichkeit (das Böse) ankämpfen: Als Drogenkurier wird sie nach New York geschickt, 63 Heroinbällchen befinden sich in ihrem Magen.

Schiefe Optik

Dass Kim Ki-Duk für seinen Film "Samaria" über zwei koreanische Teenager-Prostituierte den Regie-Bären erhielt, und der argentinische Film "El Abrazo Partido" den Darstellerpreis und den Großen Preis der Jury gewann, war angesichts des Triumphes des deutschen Films kein Thema in Berlin. Ein großer Tag fürs deutsche Kino, zweifellos. Wenngleich eine schiefe Optik bleibt: Denn für den Hauptpreis dieses Festivals wären andere Filme besser geeignet gewesen. Aber manchmal zählt eben der Heimvorteil.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung