Pedro Costa - Pedro Costa: Der 60-jährige portugiesische Regisseur ("O Sangue", 1989; "Casa de Lava", 1994; "Ossos", 1997; "O nosso Homem", 2010) mit dem Goldenen Leoparden von Locarno 2019. - © Massimo Pedrazzini / Locarno Film Festival

Kunst mit Tradition

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In Locarno hält man die Filmkunst hoch: "Vitalina Varela" des portugiesischen Regisseurs Pedro Costa war der große Sieger beim 72. Filmfestival im Tessin.

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In Locarno hält man die Filmkunst hoch: "Vitalina Varela" des portugiesischen Regisseurs Pedro Costa war der große Sieger beim 72. Filmfestival im Tessin.

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In gewisser Weise ist ein Film wie Pedro Costas "Vitalina Varela" ein ganz typischer und darob auch passender Preisträger bei einer Filmschau wie jener von Locarno. Denn er setzt alle Hebel in Bewegung, die den Mechanismus dieses wichtigsten Arthaus-Entdecker -Festivals der Welt ausmachen: Nicht ausgetretene Pfade, nicht künstlerischer Konformismus, nicht hanebüchene TV-Dramaturgie machen die Filme im Wettbewerb um den Goldenen Leoparden aus, sondern jeweils das Gegenteil: Spröde, ja auch anstrengende Filme, die einen fordern, die ganz eigene, manchmal auch radikale Wege in Stil und Inhalt gehen und die kaum Rücksicht auf Sehgewohnheiten nehmen. Hier im malerischen Schweizer Tessin, wo das Essen teuer, der See erfrischend und die Urlaubsgäste finanziell potent sind, hat sich ausgerechnet das Nischenkino mit seiner Filmkunst das größte Ansehen erspielt, über immerhin schon 72 Festspiel-Ausgaben.

Und hier, in Locarno, hat sich das auch unter der neuen Leiterin, der 42-jährigen Französin Lili Hinstin nicht geändert, die den Job von Carlo Chatrian übernommen hat, weil dieser künftig die Berlinale leiten wird. Hinstin hat ganz bewusst Filme wie Costas "Vitalina Varela" ausgewählt, weil sie -gerade im Fall von Costa, der kein Festivalneuling in Locarno ist -die Tradition dieses Filmfestivals hochhalten will: Nonkonformismus als Vorbedingung für ein bedingungsloses Kino der Kunst.

Costa, der für seinen Film am Samstag mit dem Goldenen Leoparden ausgezeichnet wurde, treibt seinen kunstvollen Zugang zur Filmsprache auf die Spitze: Es geht um die Geschichte der 55-jährigen Kapverdin Vitalina, die ihren Mann seit Jahrzehnten nicht gesehen hat; sie macht sich von der ehemaligen portugiesischen Kolonie auf, um ihn in Lissabon wiederzutreffen, aber sie ist zu spät: Drei Tage vor ihrer Ankunft ist er gestorben.

Erster Hauptpreis für Pedro Costa

Was folgt, ist weniger Erzählung als vielmehr Zustandsbeschreibung: Costa zeigt Vitalina im heruntergekommenen Haus ihres Gatten bei der Trauerarbeit, doch alles hier ist der Realität ein wenig entrückt, es formen zwar elegante, aber auch entrische Bilder ein Horrormärchen zwischen tiefgehenden Emotionen und auch gespenstischen Phasen der inneren Leere. Pedro Costa, schon lange Jahre ein Liebling der Feuilletons, gewinnt seinen ersten Hauptpreis bei einem A-Festival -und man darf davon ausgehen, dass "Vitalina Varela" im Herbst auch bei der Viennale in Wien zu sehen sein wird, da auch dieses Festival Costas Arbeiten stets hochgehalten hat.


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