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Hofmannsthals „Alkestis” als Oper

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Vor genau 25 Jahren wurde in Mannheim die Oper „Alkestis” von Egon Wellesz uraufgeführt, deren Text Hugo von Höfmannsthal nach dem Drama des Euripides schrieb. Von 1924 bis 1930 ging diese einaktige Oper über mehrere deutsche Bühnen und erlebte in der Charlottenburger Oper eine Aufführung, dien durch die großen: von Mary Wagman einstudier-i-. tett’ Bewegungschöre ‘denkwürdig’ geworden: ist.”! “ Wien kam dieses bedeutende Werk erst jetzt zur Erstaufführung, und zwar nicht im Großen Haus am Ring, sondern als Jübiläumsveranstaltung der Staatsakademie für Musik mit Schülern des Instituts und dem Niederösterreichischen Tonkünstlerorchester im Akademietheater.

Für Egon Wellesz hatte Hofmannsthal vorher bereits das Ballett „Achilles auf Skyros” geschrieben. Von seiner „Alkesfis” bearbeitete Hofmannsthal nur die erste Szene für die Opernbühne und ließ für den Rest dem Komponisten freie Hand, dem er riet: „Streichen Sie soviel als möglich. Lassen Sie nicht mehr als ein Siebentel stehen. Denken Si immer an das Goethesche Wort, daß ein Zeug für die Musik weitmaschig sein müsse.” An diesen Rat hat sich der Komponist gehalten, indem er auch den Schluß opernmäßig umarbeitete und einen eigenen Schlußchor schrieb.

Die rührende Sage von Alkestis berichtet, wie diese sich, an der Stelle ihres geliebten Gatten Admet, dem Todesgott anbietet. WäTirend Klagegesänge das Haus erfüllen, erscheint Herakles mit seinen Männern und wird gastfreundlich aufgenommen. Aus ..Höflichkeit” verschweigt man ihm den Grund der Trauer, aber als er diesen durch die Dienerschaft erfährt, beschließt er, sich auf wahrhaft königliche • Art für die Gastfreundschaft zu bedanken, indem er Alkestis dem Todesgott entreißt und ihrem Gatten zurückgibt.

So hat der erste Teil des Stückes den Charakter einer Trauer- und Beisetzungszeremonie, die durch das Erscheinen des Herakles und die tobende Lustigkeit des Gastmahls (hinter der Bühne) jäh unterbrochen wird. Der Schluß ist dramatisch-opernmäßig gesteigert und auch im konventionellen Sinn sehr wirkungsvoll.

Hierzu schrieb Egon Wellesz eine Musik, die „Oedipus Rex” von Strawinsky näher steht als etwa der „Elektra” von Richard Strauss, ohne aber jemals Anleihen da oder dort zu machen. Die vorhergehenden Werke des Schönberg-Schülers Wellesz sind durch die „freie Atonalität” charakterisiert. Hier, in der „Alkestis”, ging es dem Komponisten darum, einen monumentalen, d’em Sujet entsprechenden:; Stil zu’ ftndenr def’feom’Ra’uschhaftenF (Strauss-Srhreker) wegführt und bei Gluck wieder anknüpft. Gleich das Vorspiel, in dem sieben Akkorde allmählich bis zur Sechsstimmigkeit aufgebaut werden, ist dafür symbolisch. Nonenakkorde, kirchentonal Gefärbtes und eine sehr charakteristische Bitonalität geben der Musik ein Gepräge von Distanz und Größe. Die zahlreichen großen Chöre sind nicht nur meisterlich, sondern auch wirkungsvoll gesetzt, die Solostimmen sind durchweg kantabel geführt. Der nur von Schlagwerk begleitete Eingangschor, das erste Erscheinen der Alkestis, der Auftritt des Herakles, sein Kampf ldit dem Todesgott — das sind nicht nur musikalische Höhepunkte, sondern auch solche der Opernbühne.

Wo die Spąnnung nachließ, ging dies wohl auf Rechnung der Interpretation. Die Aufführung im Akademietheater unter der Spielleitung von Josef Witt und unter der musikalischen Direktion von Alfred Spannagel war sehr ambitioniert, desgleichen die jungen Sänger und die Eleven der Ballettklasse (Choreographie Karla Denk-Kuna). Aber das Werk erfordert geschulte Kräfte und einen großen Apparat, wie er etwa der Wiener Staatsoper zur Verfügung steht. Hierher — und nach Salzburg! — gehört dieses Werk von Wellesz, das, etwa mit der „Opferung des Gefangenen” nach Stucken (vom gleichen Komponisten) einen großen Opernabend ergäbe.

Bei einer etwaigen Wiederholung der Akademie-Aufführung wären einige kleine Schönheitsfehler der Regie zu korrigieren: die Farbe der Trauer in der Antike war weiß, nicht schwarz; der Todesgott darf nicht als Sensenmann im Stil des mittelalterlichen Mysterienspiels kostümiert sein; und Herakles (Betonung im Vokativ auf der ersten, nicht auf der zweiten Silbe) möge seine Keule nicht wie einen Regenschirm an der Garderobe abgeben …

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