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Die letzten Wochen vor Wahlentscheidungen haben trotz zunehmender Gereiztheit der Parteien und wachsendem Werbeüberdruß beim Wähler auch ihre guten Seiten. Die Aussagen werden klarer. Ein Beispiel dafür lieferten die; Freiheitlichen in Oberösterreich, wo am 21. Oktober Landtags- und Kommunalwahlen stattfinden. Zumindest seit der Fernseherklärung des FPÖ-Qbmannes Horst Sehender von voriger Woche wissen die beiden großen

Parteien, mit wem sie zu rechnen haben, wenn sie einem ihrer Spitzenkandidaten den Herzogshut aufs Haupt setzen wollen. Vorausgesetzt, daß weder ÖVP noch SPÖ die absolute Mehrheit erreichen, was in Oberösterreich ohnedies niemand annimmt, wird das kaum mehr als vier Mann starke blaue Landtagsteam das schlechthin gewichtigste Wort bei der Wahl des Landeshauptmannes mitzureden haben. Und dieses Wort wird — zumindest und auf jedeh Fall — einen Regierungssitz kosten. Das hat Sehender klargestellt.

Damit ist auch die oft diskutierte Frage beantwortet, was die Freiheitlichen „kosten“ werden, wenn man ihr Wohlwollen zur Landeshauptmannwahl braucht. Nach den Wünschen des Chefs der Freiheitlichen, bei dem es in persönlicher Hinsicht verständlich ist, daß er statt seines Lehrergehalts lieber die weit lukrativere Apanage eines Re-gierumgsmitglieds beziehen würde, sollten sich nach der Wahl die freiheitlichen Preise keineswegs verringern. Wenn nämlich tatsächlich gelingt, was die FPÖ nun offen anstrebt, dann werden sich in der

oberösterreichischen Landesregierung in den nächsten sechs Jahren vier VP-Vertreter, vier Sozialisten und ein Freiheitlicher gegenübersitzen. Für manche Politiker in Oberösterreich soll derzeit schon allein nur der Gedanke, daß es zu dieser Patt-Stellung der Großen und einem überdimensionalen Gewicht der FP kommen könnte, ein Trauma bedeuten.

Abgesehen von Parteiobmann Sehender, der seit 1967 Linzer Gemeinderat ist und weder innerhalb der Kommunegrenzen noch darüber hinaus zu besonderer Popularität gelangte, haben die Freiheitlichen auf Landesebene drei Funktionäre, die — jeder auf seine Art und auf verschiedenen Ebenen der Öffentlichkeit — immer wieder persönliche Achtungserfolge verbuchen konnten. Der am längsten in der vordersten Front dienende Junggeselle und ÖBB-Direktionsrat Doktor Walter Bauer, der seit 1955 dem Landtag angehört, ist für seine originellen Ideen und spritzigen Reden bekannt. Das ruhige Auftreten des Zweiten Landtagspräsidenten Alois Bachinger, Landwirt und Bürgermeister aus dem Hausruokviertel, ließ keine großen Gegnerschaften entstehen. Und schließlich empfanden es nicht nur Journalisten wohltuend, wenn der Dritte im Bunde, der amtsführende Landesschulrats-präsident Karl Maier, mit offener Sprache schulische Proporz- und andere Probleme frei von der Leber weg darlegte.

Die Großparteien scheinen offenbar zu wissen, daß es ratsam ist, dieses Dreigestirn in Ruhe zu lassen. In keiner Vor- oder Hauptwahlkampfphase fiel auch nur ein aggressives Wort.

Diese Vorsicht mag taktisch klug sein, die Realisten sind in der Mehrzahl. Trotzdem ist aber, wenn auch oft nur unterschwellig, ein ungutes Gefühl vorhanden, nicht nur in den Parteizentralen von SPÖ und ÖVP, sondern auch in den Anhängerlagern. Und ganz Mutige sprechen es im kleinen Kreis auch aus, worüber offiziell verschämt geschwiegen wird: daß sich nämlich die beiden Großparteien ausgerechnet vom kleinsten Mitbewerber um die Stimmengunst Druckausübung gefallen lassen müssen, und daß außerdem auf der Hand liegt, daß die FPÖ drauf und dran ist, in Oberösterreich eine unverhältnismäßig große Einflußschnitte vom Politikkuchen zu erhalten. Wer gebraucht wird, kann fordern. Was geschieht aber, wenn zuviel gefordert wird?

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