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Christliche Soziallehre vor Marx
Die Geschichte der „Sozialen Frage“ in der Epoche der industriellen Revolution zu Beginn des 19. Jahrhunderts ist geprägt von der Suche nach christlichen Ansatzpunkten zur Linderung von Not und Armut des neu aufgekommenen Arbeiterstandes.
Mit dieser Thematik'- „Christliche Soziallehre vor Marx - was ist geblieben?“ - befaßte sich Dozent DDDr. Alfred Klose, Leiter der wirtschaftspolitischen Abteilung der Bundeswirtschaftskammer, im Rahmen der gesellschaftspolitischen Gespräche des ÖAAB. Klose spannt den Bogen von den Ideen der christlichen Sozialromantik bis zur heutigen Soziallehre.
Die Zeit der christlichen Romantik ist charakterisiert durch die Ablehnung dir liberalen ,freiwirt-schaft, deren Auswirkungen das soziale Gepräge so sehr bestimmt hatten“. So erachteten die Vorkämpfer Vogelsangs jene Wirtschaftsverfas-sung als die beste, in der der Mensch
„Kapitalist und Arbeiter“ zugleich ist. Man setzte sich für das Teilhaberecht der Arbeiter an den Produktionsmitteln ein und vertrat weitreichende, gesellschaftliche Umschichtungen. Im Gegensatz dazu glaubte Marx, die prinzipielle Unvereinbarkeit von Kapital und Arbeit zu erkennen.
Die Vertreter der Wiener sozialromantischen Schule wie Adam Müller, Clemens M. Hofbauer wollten die Not der Arbeiter durch Festigung des Klein- und Mittelbetriebes und durch den Aufstieg des Proletariers zum Eigentümer bekämpfen, denn: „der Mensch braucht ein allseitiges, kugelrundes Gebiet seines Wirkens, wie beschränkt und klein dasselbe auch sein möge.“ Sie gründeten ihre Hoffnung unter anderem auf Förderung und neuerliche Stärkung des agrarisch-orien-tierten Eigentums, das im Gegensatz zur abstrakten Industrie eine „Entproletarisierung durch Besitzstreuung“ fördern sollte.
Um 1826 löste der Görres-Kreis in München den Wiener Romantikerkreis ab. Die Kirchenhistoriker Johann Göllinger, Franz Josef Büß und Ernst Lasaulx gehörten zum Görres-Kreis ebenso wie Franz Baader - Symbol des universell gebildeten Naturwissenschafters und Philosophen. In den Münchner „Historisch-Politischen Blättern“ kritisierten Männer wie Baader und Gör-res den herrschenden Liberalismus und forderten mit der „Einbringung des Proletairs“ dessen Beteiligung an der Produktionsvermehrung. 1837 brachte Büß im badischen Landtag die erste Interpellation über die soziale Frage ein.
Heute finden sich Elemente dieses christlich-sozialen Gedankenguts in vielen karitativen Privatorganisationen, mit ihrer Tätigkeit im Sinne der Subsidiarität die Abhängigkeit vom Staat mindern. Angesichts der Ungleichheiten, die es in der menschlichen Gesellschaft immer geben werde, käme dem christlichen Sozialengagement vor allem Friedens- und Schlichtungsfunktion zu. Die christliche Soziallehre erkenne im Prozeß der Evolution, in dem Versuch, Neues mit Traditionellem zu verbinden, den humanitären Gestaltungswillen der Menschheit. Die starke Wirkung von Marx hingegen erkläre sich aus der Radikalität seiner Kritik: seine Lehre sieht die Lösung aller Fragen menschlichen Seins in Revolution und Umsturz der gesellschaftlichen Traditionen.
Die frühe christliche Soziallehre müsse aus dem geistigen Umfeld der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts interpretiert und verstanden werden. Ihre Entwicklung vollzieht sich im Spannungsfeld zwischen wirtschaftlichem Liberalismus und Industrialisierung einerseits sowie den literarischen Gegenströmungen der Romantik anderseits; ihre Ideen finden sich in der heutigen sozialpolitischen Diskussion, schloß Klose.
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