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Das Pläne-Neuneck

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Neben Postwürfen und Plakataktionen fühlen sich die politischen Parteien in Wahlzeiten traditionsgemäß verpflichtet, auch Pläne und Programme zu präsentieren. Oberösterreich, wo bekanntlich im Oktober Landtags- und Gemeinderatswahlen stattfinden, bildet da durchaus keine Ausnahme. Die „Denk-, fabriken“ in den Linzer Parteizentralen arbeiten auf Hochtouren.

Beflügelt von dem im Parteivolk erhorchten Verlangen, nicht nur als Heer von Beitragskassieren und Erfüllungsgehilfen für „höheren Orts“ gesteckte Ziele dienen zu dürfen, sondern auch zur programmatischen Mitsprache zugelassen zu sein, hat die Volkspartei einen neuen Kreationsstil entwickelt. Ein Neuneck von sogenannten Landiesplänen soll das Handlungsfeld dieser Partei für die nächsten Jahre abstecken.

Drei Pläne erblickten bereits das Licht der oberösterreichischen Öffentlichkeit — Themen: Umweltschutz, Bildung und Jugend —, sechs weitere folgen noch. Die ÖVP-Vor-stellungen sollen, wie ausdrücklich betont wurde, nicht als „Parteidekrete“ aufgefaßt werden, die von oben herab bestimmen, was für das Land gut oder schlecht sei. Man hat einen Rückkoppelungseffekt eingebaut: mit Koupons aus Zeitungsinseraten oder nach telephonischer Anforderung kann sich jeder Interessierte die einzelnen Landespläne zusenden lassen. Man will aber nicht nur möglichst viele Pläne unters Volk bringen, sondern leiht den — wie man hofft — aktiven Bürgern auch das Parteiohr, in das Anregungen, Kritik und Vorschläge hineingeflüstert oder — je nach dem — hineingebrüllt werden können. „Damit hat jeder Oberösterreicher die Möglichkeit, noch vor der Beschlußfassung Einfluß auf die endgültige Fassung des Planes zu nehmen“, wird im VP-Pressedienst offiziell versprochen.

Die durch Kritik von außen angereicherten und korrigierten Pläne sollen dann dem Landesparteitag der ÖVP, der voraussichtlich am 8. April 1973 in Szene geht, vorgelegt werden. Das Parteitagssanktus wird den Wert der Papiere wesentlich erhöhen: sie sind Grundlage für die Politik der Volkspartei in der nächsten Legislaturperiode des oberösterreichischen Landtags.

Den letzten Verwendungsstreich für die Landespläne stellt sich die VP als Höhepunkt vor. Aus den Schnittlinien des Neunecks soll ein „Modell für ein modernes Oberösterreich“ entstehen. Damit ist das „Aktions- und Wahlprogramm“ für die Landtagswahl identisch. Wie dieses Modell aussehen wird, bleibt vorderhand offen. Inhaltlich wird es sich aber von den Programmen der politischen Gegner mehr abheben müssen als sein Titel — der zeigt nämlich auffällig, daß man von den anderen — konkret von der SPÖ — gelernt hat.

Gemessen an den sonst üblichen Forderungsutopien der Parteien in Wahlzeiten bleibt beispielsweise der Umweltschutzplan, der den Reigen eröffnete, durchaus auf dem Boden ralistischer Vorstellungen. Das Konzept wuTde von einer Projektgruppe erstellt, der 15 Experten der Praxis

Landeshauptmann Wenzl: Organisationsschema für den Umweltschutz und Wissenschaftler angehörten. Sie kamen zwar zu der Erkenntnis, daß der Schutz der Biosphäre als politische Aufgabe nur kooperativ, überregional und letztlich international zu gewährleisten sei, entwickelten aber dennoch einen Katalog für regionale Maßnahmen in Oberösterreich. Unter der Patronanz von Landeshauptmann Erwin Wenzl, dem mit dem von ihm proklamierten „Jahr des Umweltschutzes 1972“ eine beachtliche persönliche Profllierung gelang, präsentierten die Planverfasser ein komplettes OrganisationsSchema für den Umweltschutz des Landes.

Für vordringlich wird die Schaffung einer Landes-Umweltkommis-sion gehalten, die von einem Landesbeauftragten für Umweltschutz geleitet werden und der eine Technische Versuchs- und Forschungsanstalt für Umweltschutz angegliedert sein soll. Kommission und Anstalt würden sich über Arbeitsmangel nicht beklagen können: Neben Bestandsaufnahme und Forschung wären auch eine oberösterreichische Dokumentationsstelle zu errichten und Empfehlungen für die gesetzgebenden Körperschaften auszuarbeiten. Sanierungspläne sollen Schäden beseitigen und Überwachungssysteme vorbeugen helfen. Auch Beratung und Planung sollen die neuen Institutionen übernehmen, die dann die Wirkung ihrer Tätigkeit aus einem jährlich vorzulegenden Umweltschutzbericht ersehen können.

Einen Haken hat die 55-Seiten-Studie allerdings: Sie enthält — zum Großteil grundvernünftige — Vorschläge für den Umweltschutz, aber keine für die Finanzierung.

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