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Der Umweltschutz ist keine Einbahn

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Ein bemerkenswertes Bekenntnis zur Ökologie legt Bayerns Ministerpräsident in einem neuen Buch ab. Nicht nur „grüne Spinner“ allein bedrückt die Umweltsituation.

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Ein bemerkenswertes Bekenntnis zur Ökologie legt Bayerns Ministerpräsident in einem neuen Buch ab. Nicht nur „grüne Spinner“ allein bedrückt die Umweltsituation.

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Von einem grundsätzlichen Gegensatz zwischen Umweltschutz und technischem Fortschritt kann nicht gesprochen werden. Ebensowenig dürfen wir von einem grundsätzlichen Gegensatz zwischen Umwelt und Wirtschaft, zwischen Umweltpolitik und Wirtschaftspolitik ausgehen. Ein wirksamer Umweltschutz setzt eine funktionierende und leistungsfähige Wirtschaft voraus.

Wir dürfen aber auch nicht die Tatsache verschweigen, daß zwischen den wirtschaftlichen Erfordernissen und den Anforderungen des Umweltschutzes im Einzelfall durchaus schwerwiegende Zielkonflikte aufbrechen können.

Das bedeutet, daß zwischen Wirtschaftswachstum, sicheren Arbeitsplätzen und sozialer Sicherheit auf der einen Seite und dem, was zum Schutz unserer Umwelt notwendig ist, nicht im-' mer ein Zustand absoluter vorgegebener Harmonie herrscht.

Selbstverständlich können bei der Verwirklichung eines verantwortungsbewußten Umweltschutzes Spannungen zwischen unterschiedlichen Zielen und Interessen auftreten. Sie durch kluges Abwägen, durch Setzen von Prioritäten und durch vernünftiges, an den tatsächlichen Bedürfnissen ausgerichtetes Entscheiden auszugleichen, ist Aufgabe der Politik in unserem freiheitlichen Gemeinwesen.

Denn unsere freiheitliche Ordnung ist dadurch gekennzeichnet, daß ihre tragenden Grundsätze nicht isoliert nebeneinander stehen, sondern gleichrangig miteinander verbunden sind. Deshalb können die Menschen in unserem Staate ein Leben in Freiheit, Würde und Selbstverantwortung führen.

Die zentrale Idee des freiheitlichen Rechtsstaates ist der Ausgleich einander widerstreitender Interessen. Daher müssen auch die Belange des Umweltschutzes in jedem Einzelfall mit anderen Belangen abgewogen werden, zum Beispiel mit dem Schutz des Eigentums, der Sicherung von Arbeitsplätzen und von Sozialleistungen.

Bei Zielkonflikten ist dem Umweltschutz immer dann der Vorrang einzuräumen, wenn eine wesentliche Beeinträchtigung der Umweltverhältnisse droht oder die langfristige Sicherung der natürlichen Lebensgrundlagen des Menschen gefährdet ist.

Aufgabe der Politik ist es also, unser Wirtschaften so einzurichten, daß es sich an den Rahmenbedingungen unserer natürlichen Umwelt orientiert. Das bedeutet: Wirtschaftliches Erfolgsdenken darf niemals absoluten Vorrang und totale Priorität haben.

Andererseits kann auch ein Umweltschutz, der absoluten Vorrang und totale Priorität vor allen Lebensnotwendigkeiten beansprucht, verhängnisvoll sein und inhuman werden, vor allem dann, wenn er notwendige, sachlich vertretbare Kompromisse, Ubergangsregelungen und Zwischenlösungen ausschließt und um der reinen Lehre willen, um des reinen Grundsatzes willen Arbeitslosigkeit und sozialen Unfrieden in Kauf nimmt.

Aber gesunde Innovationen in der Umwelttechnik schaffen neue und sichere Arbeitsplätze. Sie stärken die Leistungskraft und damit die internationale Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft. Unser Ziel muß daher sein: Schritt für Schritt umweltbelastende durch umweltfreundliche Produktionsmethoden und Produkte zu ersetzen.

Unser Wirtschaftssystem ist durchaus in der Lage, sich der veränderten Aufgabenstellung anzupassen. Denn die Soziale

Marktwirtschaft mit ihren dezentralen Entscheidungsmöglichkeiten kann flexibel auf das geänderte Verbraucherverhalten, auf die politischen Zielvorgaben und auf die wissenschaftlich-technische Entwicklung reagieren, flexibler als jede planwirtschaftliche Ordnung.

Wir müssen nur das schöpferische Potential der Wirtschaft und die Kräfte des Marktes für den Umweltschutz mobilisieren.

Die Erfahrung hat gelehrt, daß eine freiheitliche Wirtschaftsordnung ungleich rascher und sensibler auf Umweltprobleme reagieren kann als ideologisch und planwirtschaftlich „geschlossene“ Wirtschafts- und Gesellschaftssysteme. Der freiheitliche Staat muß nur die Kraft und die Entschlossenheit haben, die richtigen Rahmenbedingungen zu setzen und die notwendigen Entscheidungen zu vollziehen.

Allerdings gibt es keinen Umweltschutz zum Nulltarif. Umweltschutz kostet Geld, das an anderer Stelle eingespart werden muß. Umweltschutz kann Produkte verteuern, darf aber niemals Vorwand sein für Geschäf-temacherei auf Kosten des umweit- und verantwortungsbewußten Bürgers.

Umweltschutz erfordert aber auch innerhalb der öffentlichen Haushalte Prioritäten beim Einsatz der Mittel. Wir müssen uns dann darüber im klaren sein, daß diese Mittel an anderer Stelle nicht mehr zur Verfügung stehen.

Der beste Umweltschutz ist zweifellos der vorbeugende Umweltschutz, der Umweltschäden von vornherein verhindert. Die Umweltschutzpolitik muß also immer mehr von der Reparatur von Umweltschäden zu vorbeugender Planung übergehen.

Ein Musterbeispiel für die Möglichkeiten, die sich ergeben, wenn der Umweltschutz gewissermaßen aus der Reparaturabteilung in die Planungsabteilung aufsteigt, ist die Bekämpfung des Verkehrslärms. So können Bauleitplanung und Regionalplanung Lärmbelästigung durch Verkehrseinrichtungen oder Industrieanlagen bereits verhindern, bevor sie entsteht.

Der Autor ist bayerischer Ministerpräsident. Der Beitrag ist ein Auszug eines Aufsatzes im Sammelband „Rettet die Umwelt!“ Herausgegeben von Hellmuth Buddenberg, Verlag Busse und Seewald, Herford 1985.

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