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„Euro-Katholizismus“ - der Rettungsanker für den Westen

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Während dieser Tage in Frankreich heftige Kontroversen um die Afrikapolitik von Giscard d'Estaing und damit verbunden scheinbar ein Popularitätsrückgang des französischen Präsidenten zutage traten, sprach einer der wohl bemerkenswertesten Wahlhelfer Giscards als Gast bei Erhard Buseks „Club Pro Wien“.

Jean-Marie Benoist ist einer der jungen französischen Antimarxisten, die unter dem klingenden Titel „Nouve-aux Philosophes“ bekannt geworden sind. Benoist - gewissermaßen der Außenseiter des Philosophenkreises -war im Gegensatz zu Glucksmann, Levy und anderen während der Studentenrevolte von 1968 weder Maoist noch Leninist: „Ich war niemals ein Anhänger des Marxismus, ich war und bin liberaler Skeptiker und stehe in gewisser Hinsicht jenen Werten nahe, die heute als rechts apostrophiert werden, zentrale Werte wie Dezentrahsation oder katholische Tradition.“

Der Philosoph Benoist,' der sich um ein Mandat im Europaparlament bewirbt, ist überzeugter Giscardist: „Es ist die Pflicht des Intellektuellen, mit seinen Waffen des geschriebenen und gesprochenen Wortes das schleichende Wachsen des Weltkommunismus zu bekämpfen und Korrektive aufzuzeigen, um die Demokratie gegen monolithische, diktatorische Faschismen roter, brauner oder schwarzer Spielart zu stärken. Denn mehr als jeder andere lebt der Intellektuelle vom demokratischen System und weltweit gibt es heute lediglich etwa zwei Dutzend Demokratien“.

In einem Land mit betont nationalem Empfinden - die Neugaullisten Chiracs seien hievon ebenso geprägt wie die KPF - stelle der französische Präsident trotz aller Schwächen seines politischen Umfeldes die einzige Hoffnung auf Liberalismus und Pluralismus dar. Die europäische Bewegung Giscard's sei ein wichtiger Ansatz für eine universale Weltordnung und

Uberwindung der anachronistischen Doktrinen, wie sie die französischen Kommunisten und auch Sozialisten noch heute vertreten würden. In Krisenzeiten sei kühne und moderne Sozialpolitik immernoch von „konservativen“ Männern betrieben worden und nicht vom linken Flügel der „Berufssozialisten“. Die abgenützte politische Gruppe um Giscard werde schließlich jene „new comers“ akzeptieren, die in einer Verbindung von europäischem Denken und sozialem Engagement die Signale für eine neue Politik, für einen neuen Sozialkontrakt setzen wollen, den allein Giscard verwirklichen könne. „Denn die Gaullisten sind im geschichtlichen Versteinerungsprozeß getreues Spiegelbild der französischen Kommunisten“. Es gelte, so Benoist in einem FUR-

CHE-GeSpräch, gegen den Nihilismus und irregeleiteten Humanismus unserer Zeit anzutreten, der letztlich zu To-talitarismus und Terrbrismus geführt habe. „Es ist für den westlichen Masochismus verlockend, im Terrorismus die Konturen eines neuen Zeitalters zu suchen. Für mich steht der neue Terror im Zwielicht der Dämmerung, am Ende der dialektischen Ära, in der Le-

nin und auch Marx in der Gewalt einen Ausdruck des Klassenkampfes zu erkennen glaubten“. Übrig bleibe Gewalt als Selbstzweck, ihre Verfechter würden als traurige Desperados in einem selbstzerstörerischen Kampf absterben. „Terroristen sind - der Dialektik entkleidet - die Nachhut eines dekadenten Marxismus“.

Was den Eurokommunismus anlangt, sieht Benoist in der demonstrativen Öffnung der Kommunisten den sanften „Mondenschein“ einer neuen Marketing-Strategie, um die „Gutgläubigen unter den Sozialdemokraten und den Rest der masochistischen Bourgoisie“ mittels einer vorgeblichen Kooperation der Klassen in die Falle des sogenannten historischen Kompromisses zu locken; ein Versuch, den Westen zu bekehren, eine Art ge-

schmeidiger Kommunismus, eben ein Wolf im Schafspelz: „Es war eine Zeitlang modern, von einem Eurokommunismus zu sprechen, den es im Grunde nicht gibt.“ Realität besitze nur der Stalinismus.

Demzufolge hätten auch die Sozialdemokraten nur dann Zukunftschancen, wenn sie sich dem liberalen Gedankengut zuwenden und nicht - wie

in Frankreich - an die Seite totalitärer Gruppen kommunistischer Provenienz treten. Die Reaktion der Franzosen habe bewiesen, daß die Kooperation mit Kommunisten ein Akt der Selbstzerstörung sei.

Benoist vertraut auf die Vision einer „neuen Struktur“, durch die Irland, Polen, Österreich, Spanien, Frankreich und Italien in einer Art Euro-Katholizismus zusammenstreben. In dieser individuellen und transzendentalen Selbstfindung - für die der Andere immer das Individium sei - „werde der materialistische und konsumorientierte Westen“ jene Kraft zurückgewinnen, die der Vergesellschaftung durch den Marxismus mit den Waffen einer neuen Innerlichkeit Einhalt gebiete.

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