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Felipe vor der Wahl

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Mit 20 Prozent Arbeitslosigkeit (in manchen Regionen darüber) erlebt Spanien eine wirtschaftliche Durststrecke. War der vorverlegte Wahltermin eine Flucht nach vorn?

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Mit 20 Prozent Arbeitslosigkeit (in manchen Regionen darüber) erlebt Spanien eine wirtschaftliche Durststrecke. War der vorverlegte Wahltermin eine Flucht nach vorn?

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Selbst die Oppositionsparteien zeigten sich nicht überrascht, als Regierungschef Felipe Gonzalez den Zeitpunkt der ursprünglich im Oktober anstehenden spanischen Parlamentswahlen vorverlegte. Nach anfänglichem Zögern datierte Gonzalez den vorgezogenen Wahltermin auf den 22. Juni und Heß das Parlament Ende April von König Juan Carlos auflösen.

Der überraschende Erfolg des NATO-Referendums vom 12.

März, das entgegen aller Prognosen eine Mehrheit von 53 Prozent der Stimmen für die Regierungsvorlage brachte, befreit den Ministerpräsidenten aus einer peinlichen Lage. Angesichts einer zerstrittenen Opposition und des ungewissen Ausgangs der ebenfalls im Juni fälligen Regionalwahlen in Andalusien entschloß sich die Sozialistische Regierungspartei, den NATO-Bonus lieber heute als morgen auszuspielen.

Die Erwartungen der europäischen Partner, vor allem aber der USA, trugen dazu bei, daß sich der vormalige NATO-Gegner Gonzalez zum entschiedenen Befürworter des'Paktes mauserte.

In der polemischen Auseinandersetzung mit der NATO-Frage wandelte sich dann das NATO-Referendum zunehmend in eine Vorentscheidung der kommenden Parlamentswahlen am 22. Juni.

Die rechten Oppositionsparteien - obgleich durchaus für die NATO-Mitgliedschaft - forderten ihre Anhänger zur Stimmenthaltung auf. Daß die Regierungsvorlage dennoch eine Mehrheit erzielte, interpretieren Beobachter als klare Absage an die konservative Volksallianz. „Allianza Populär“, die als zweitstärkste politische Kraft im Lande in die Regierungsverantwortung drängt.

Mit mehr als 20 Prozent Arbeitslosigkeit, die in einigen Regionen sogar auf über 25 Prozent angewachsen ist, erlebt Spanien in seiner dritten Legislaturperiode unter demokratischer Verfassung eine wirtschaftliche Durststrecke. Auf der anderen Seite zeigt Spanien eine deutliche Tendenz zum Zweiparteienstaat. Die UCD (Union de Centro Democrätico), eine lockere Koalition von Zentrumsparteien unter Beteiligung altfranquistischer Politiker, hatte ihre Schuldigkeit in der demokratischen Ubergangsperiode der siebziger Jahre getan. Im Oktober 1982 erreichte sie nur mehr sieben Prozent der abgegebenen Stimmen und wurde im Februar 1983 aufgelöst.

Nach ersten Erfolgen bei den Wahlen 1979 (30 Prozent) fiel der PSOE (Partido Socialista Obrero Espanol) nunmehr mit 48 Prozent die absolute Mehrheit der Parlamentssitze zu, die konservative AP (Allianza Populär) konnte ihren Stimmenanteil von knapp sechs Prozent auf mehr als das Vierfache steigern. Parteichef Manuel Fraga Iribarne, der unter General Franco verschiedentlich Ministerposten innehatte, gelang

damit der Aufstieg zur zweitstärksten politischen Macht im Lande. Die Volksallianz, bei den kommenden Wahlen in Koalition mit der PDP (Partido Demöcrata Liberal) unter Oscar Alzaga und der von Antonio Segurado geleiteten Liberalen Partei (PL), ist denn auch am 22. Juni die einzige ernstzunehmende Konkurrenz für Felipe Gonzalez. Nach schweren Unstimmigkeiten zwischen dem konservativen und dem christdemokratischen Flügel der eigenen Reihen überlegen allerdings manche Mitglieder der „Volkskoalition“, ob der eher grobschlächtige Manuel Fraga als gemeinsame Galionsfigur geeignet ist. Der offensichtliche Mißerfolg des NATO-Referendums führte zu einer Krise der konservativen Opposition.

Zum Fiasko wurde die demokratische Freiheit für die spanischen Kommunisten. Nachdem die PCE (Partido Comunista Espanol) unter Leitung des alten Kämpfers Santiago Carillo 1979 noch hoffnungsvolle zehn Prozent erzielte, war sie drei Jahre später mit knappen vier Prozent weit abgeschlagen. Erbittert zerstritten und in moskautreue und eurokommunistische Flügel zerspalten, steht der PCE trotz mancher Einigungsversuche unter Generalsekretär Gerardo Iglesias eine dunkle Zukunft bevor. Nachdem die spanischen Kommunisten die Jahrzehnte der Francodiktatur wohlorganisiert überstanden, liegen sie in der demokratischen Auseinandersetzung bereits nach kurzer Zeit im Abseits.

Während die Zentrumsparteien von Expremier Adolfo Suärez (Centro Democrätico y Social) und Miguel Roca (Partido Refor-mista Democrätico) wenig Aussichten haben, im Juni mehr als drei Prozent der Wähler zu vereinen, erzielten die nationalistischen Gruppen im Baskenland und in Katalonien bereits 1982 einige Sitze im Cortes-Parlament. Aufgrund der nationalistischen Stimmung in diesen Regionen dürfen CIU (Convergencia i Uniö), PNV (Partido Naciona-lista Vasco) und die baskische HB (Herri Batasuna) auch jetzt mit je ein bis drei Prozent der abgegebenen Stimmen rechnen.

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