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Filme aus Wien - von einst und jetzt

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1934 drehte der deutsche Regisseur Werner Hochbaum, dem im Vorjahr eine Retrospektive der „Viennale“ gewidmet war, in Wien den Film „Vorstadtvarietė“, der nun erstmalig nach dem Krieg wieder im normalen Kinoprogramm zu sehen ist. Der Titel markiert einen wesentlichen Schauplatz des Füms, der sonst im Müieu der k. u. k. Armee und im bäuerlichen Bereich spielt und auf ein Bühnenstück von Felix Salten zurückgeht. Als „Story“ fungiert die Liebesgeschichte zwischen dem „süßen Wiener Mädel“ Mitzi und ihrem bei der Armee dienenden Bauzeichner, die daran zu zerbrechen droht, daß sich Mitzi bereit findet, der Familientradition zu folgen und sich als Volkssängerin zu versuchen. Die Welt Schnitzlers hat zweifellos diese 1913 spielende Handlung inspiriert, doch sind audh deren herbere Akzente hineingemischt.

Das wird auch in der Photographie des später als Regisseur und Produzent hervorgetretenen Eduard Hoesch deutlich, die in den scheinbar gemütlichen, urwieneri- schen Heurigenszenen geradezu dämonisch-expressionistischen Charakter gewinnt. So wird hier ein Kontrapunkt zu dem etwas sentimental-kitschigen Grundzug der Handlung geschaffen. Was dem alten Film daneben heute noch Bedeutung und Ansehen gibt, ist die schauspielerische Leistung von Luise Ullrich, geradezu ein Elementarereignis! Weh tut daneben Mathias Wieman, der seinen Part mit verbissen tierisch-deutschem Ernst abwickelt Ein Labsal ist hingegen wieder einmal die Begegnung mit Hans Moser in einer kleineren Charakterrolle und mit einem Teil der ersten Wiener Schau- spielergamitur von damals, die hier ,.jnit.-Frieda Jlichard,-Qskar~Sima, Karl Skraup, Rudolf Carl undFritz Imhoff Vertreten ist. So hat „Vorstadtvariete“ nicht nur seinen historischen, sondern auch einiges von seinem künstlerischen Wert bis in unsere Tage bewahrt.-

1976 entstand mit Schauplätzen in Wien und Niederösterreich in aller Stille der Streifen „Langsamer Sommer“, der vom Bundesministerium für Unterricht und Kunst subventioniert wurde. Als Regisseur zeichnet John Cook verantwortlich, ein etwa 40jähriger Kanadier, der seit 1968 in unserer Stadt lebt und sich bisher als Schriftsteller, Photograph und Kurzfilmer betätigt hat Cook spielt selbst die Hauptrolle in seinem Film: mit einer leichten Sprachstörung und dem ihm eigenen Deutsch, in dem sich englischer und wienerischer Akzent mischen. Er hat sicher einen zum guten Teü autobiographischen Film geschaffen, in dem die Anpassungs- und Kommunikationsschwierigkeiten eines Ausländers offenbar werden.

Eine Handlung im üblichen Sinne gibt es kaum. Cook bildet sein Leben und das jüngerer Freunde beiderlei Geschlechts ab, wobei es im Grunde um die zwischenmenschlichen Beziehungen geht. Es tut dies im dokumentarhaf- ten Stil des „Cinema veritė“, wobei er die Menschen - die Darsteller sind durchwegs Laien - völlig natürlich agieren und in ihrem Wiener Jargon sprechen läßt Cook hat den Film in Super-8-Filmmaterial gedreht, dann auf das Kinoformat von 35 mm „aufgeblasen“ und auf Schwarzweiß kopiert Das gibt ihm eine gewisse Grobkörnigkeit, Unscharfe und einen stumpfen Ton, wobei auch die Innenaufnahmen nicht oder nur mangelhaft ausgeleuchtet sind. So empfindet man den Streifen optisch eher als eine Amateurarbeit. Trotzdem kann man ihm eine geistige und künstlerische Linie nicht absprechen und muß ihm auch ehrliches Wollen und die völlig unspekulative Gestaltung gutschreiben.

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