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Perfekte Coups

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Seit Jules Dassins unvergeßlichem, „klassischem” Kriminalthriller

„Rififi” spukt die fixe Idee vom perfekten Einbruch immer öfter durch die Gehirne der Produzenten, Regisseure und Drehbuchautoren. Auch in Giuliano Montaldos „Top Job” geht es wieder einmal um den auf Sekundenbruchteile vorausgeplanten Gangstercoup, dessen Ziel diesmal Diamanten im Werte von zehn Millionen Dollar sind. Man sollte Filmen dieser Art nicht zu viel Ehre antun, indem man sie als Gebrauchsanweisung für Verbrechen bezeichnet. Außerdem macht gerade „Top Job” hier eine Ausnahme, denn der Streifen schildert zwar ©inen verwegenen Einbruch in den Tresor einer Diamantengesellschaft in Ablauf und Methode bis ins letzte Detail, flicht aber dabei eine Reihe sehr geschickt bis an die Grenzen des Absurden übersteigerter Vorgänge ein, die zwar die momentane Spannung steigern, über die man aber spätestens lächelt, wenn man das Kino verläßt Dazu kommt die gekonnte Photographie durch Antonio Macasoli und die Darstellung durch ein ausgezeichnetes Team. Insgesamt also ein vorzüglich inszenierter und überdurchschnittlich gespielter Gangster-Thriller, der seine Amoral durch eine gute Portion Unwahrscheinlichkeit zu kompensieren versteht.

Selbst wenn es einem nicht durch redaktionelle Ankündigungen bekanntgeworden wäre, hätte man beinahe mit nachtwandlerischer Sicherheit darauf schließen können, daß Gerd Winkler, der Autor und Regisseur des deutschen Fernsehfilms „M ike Blaubar t”, sich thematisch und im bildlichen Ausdruck zutiefst den Forderungen und Ausdrucksformen der modernen bildenden Kunst mit besonderer Aufgeschlossenheit verbunden fühlt. Nur wußte man am Schluß dieser auf Verfremdungen und Schocks getrimmten Gegenwartszeichnung des mittelalterlichen Ritters, jenes Frauenbetörers und -töters, eigentlich nicht genau, über wen und was sich der taschenspielgeschickte Gestalter eigentlich lustig machen wollte. Über die eitle Leichtgläubigkeit des weiblichen Geschlechts, die allgemeine Oberflächlichkeit unserer Zeitgenossen? Wollte er damit die Sucht und Seuche unserer Agenten- und Krimiserien gehörig „auf die Schippe nehmen”, wie man wohl in seinem heimischen Jargon zu sagen pflegt? Auch unterschied er sich trotz seiner an der Grenze des Absurden angesiedelten Aufmachung mit den schon beinahe konventionell gewordenen Seitenhieben auf preußischen Militärdrill und die teutonische Liebe zur Stammtischstrategie nicht sehr von schon erlebten Leinwandvorbildern und den bei ihnen gemachten Anleihen. Gespielt wurde die makaber-überdrehte Geschichte vor allem von Hans Korte als Titelfigur und der Wienerin Ulli Philipp, die ihm mit natürlicher Resolutheit auf seine Schliche kommt, überzeugend und scharf pointiert. Nur dürfte sich ein relativ kleiner Zuschauerkreis für diesen filmischen Ausflug ins extreme Experiment interessiert haben.

Zum Thema „Kunstbetrachtung’’ lieferte die vüederum überaus reichhaltige Sendung „K ultur — aktuell” mit dem Bericht über die VI. ostdeutsche Kunstausstellung in Dresden einen sehr anschaulichen Beitrag. Deutlicher konnte die Verquickung von politischer Massenausrichtung und gelenkter künstlerischer Aussage wohl kaum demonstriert werden. Besonders aufschlußreich wirkte dann der Pendelschlag zum Gegenpol bewußt übersteigerter Individualität in dem Kurzinterview Dr. Dolf Lindners mit dem Maler Leherb und dessen versnobter Show-Manierismus, angefangen von der auf Seidenrüschchen seiner Ärmelaufschläge herumkrabbelnden weißen Maus bis zu seinem Deutsch mit betont französischem Akzent. Aber da er sich nur noch dem „Passepartout” nach als Österreicher bezeichnet, ist das Land seiner Herkunft lediglich mit dem Begriff tiefsten Provinzialismus verbunden.

Mehr faschingsfreundliche Munterkeit als bissige Aggressivität verzischte das „Zeitventil” in gekonntem Kabarettstil, zu dessen Glanzlichtern Eva Pilz und Kurt Sobotka zählten. Dem Höhepunkt karnevalistischer Unbeschwertheit” steuerte man mit der schon gewohnten Übernahme „M ainz, wie es singt und lacht” und der Wiedergabe des Antel-Films „D e r alt e Sünder” mit Paul Hörbiger und der Erinnerung an eine Wiener Gemütlichkeit entgegen, deren Zugkraft selbst im Referat „Fremdenverkehr” schon recht fadenscheinig geworden ist.

Nicht weniger perfekt in seiner Art ist der Coup, um den es in der von Stanley Shapiro verfaßten amerikanischen Ehe-„Komödie” (?) „Zärtlich schnappt die Falle zu” geht. Der Originaltitel „How To Save A Marriage An Rain Your Life” verrät, worum es sich bei dieser Farce aus dem Land der unbegrenzten Möglichkeiten handelt: „Wie man eine Ehe rettet, und dabei sein eigenes Leben ruiniert” — hinter dieser skeptischen Feststellung verbirgt sich eine sehr amüsante, halb moralische, halb frivole Betrachtung, an der besonders die Frauenvereine Amerikas ihre Freude haben dürften: es darf nämlich enden wie es will, wenn es nur happy und letztlich vor dem Traualtar endet. Eine recht vergnügliche Geschichte, bei der es einem manchmal allerdings auch — ob der darin vertretenen Auffassung — leicht kalt über den Rücken rinnt… Ernst Niessner

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