Konferieren an der Kippe

19451960198020002020

Dieser Tage findet der 25. Weltklimagipfel statt, kurz zuvor hat das EU-Parlament den „Klimanotstand“ ausgerufen. Ein passender Begriff, der endlich zu Taten führen muss.

19451960198020002020

Dieser Tage findet der 25. Weltklimagipfel statt, kurz zuvor hat das EU-Parlament den „Klimanotstand“ ausgerufen. Ein passender Begriff, der endlich zu Taten führen muss.

Werbung
Werbung
Werbung

Es war kurz vor Weihnachten 2018, als eine weitgehend unbekannte 15-Jährige beim UN-Klimagipfel im polnischen Katowice das Wort ergriff. „Sie sprechen immer nur davon weiterzumachen, mit denselben schechten Ideen, die uns in diese Misere gebracht haben“, erklärte sie den versammelten Granden. „Dabei wäre es das einzig Sinnvolle, die Notbremse zu ziehen.“ Die Radikalität von Greta Thunberg begeisterte – und regte auf: Da werde unterkomplex agitiert, da werde ein Kind instrumentalisiert und (öko-)religiös überhöht, hieß es. Doch letztlich setzte Thunberg eine Bewegung in Gang, die binnen eines Jahres mehr politischen Druck aufzubauen vermochte als die Wissenschaft über Jahrzehnte. Plötzlich kippte die Klimadebatte vom diffus Bedrohlichen ins konkret Dramatische (Kritiker meinen ins Hysterische), sie verschob politische Agenden und entschied Wahlen.

Dass das Europäische Parlament vergangene Woche (passenderweise zum Ausklang des laut UNO heißesten Jahrzehnts der Geschichte) den „Klimanotstand“ ausgerufen hat, ist der zwischenzeitliche Höhepunkt dieser Entwicklung. Natürlich: Dies war ein rein symbolischer Akt – und die Sorge, dass damit demokratische Prozesse ausgehebelt werden könnten, ist ernst zu nehmen (vgl. „Stadlers Marktforum“). Dennoch zeigt dieser Schritt – als „Einheizer“ des von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen versprochenen Green Deal und zum Auftakt der 25. UN-Klimakonferenz in Madrid – ein neues Problembewusstsein im Umgang mit der Klimakrise.

Angst vor Dominoeffekt

Nimmt man einen aktuellen Kommentar führender Forscher im Wissenschaftsmagazin Nature ernst, dann ist die Rede vom „Notstand“ jedenfalls keine Übertreibung: Jene „Kipppunkte“, an denen sich das Weltklima gerade noch stabilisieren lässt (auf welchem Niveau auch immer) und sich nicht durch Auftauen der Permafrostböden, Eisschmelzen oder andere Dynamiken ständig weiter aufheizt, würden unmittelbar vor oder womöglich schon hinter uns liegen. „Wir könnten schon die Kontrolle darüber verloren haben, ob es zu diesem Kippen kommt“, heißt es in dem Kommentar. Und nachdem „Notstand“ per definitionem das Produkt von Risiko und Dringlichkeit sei, treffe dieser Begriff hier paradigmatisch zu. Es brauche also endlich Aktionen statt bloßer Worte.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung