Vom rechten Kümmern
Die AfD hat die Linke in Ostdeutschland als „Kümmerpartei“ abgelöst. Über das derzeit gängige Kultivieren von Ängsten – und eine echte Sorge um Lösungen.
Die AfD hat die Linke in Ostdeutschland als „Kümmerpartei“ abgelöst. Über das derzeit gängige Kultivieren von Ängsten – und eine echte Sorge um Lösungen.
Es kam nicht ganz so schlimm, wie befürchtet, aber es reichte trotzdem: Der überwältigende AfD-Wahlerfolg in den ostdeutschen Bundesländern Sachsen und Brandenburg sorgt seit vergangenem Sonntag europaweit für Ratlosigkeit. Eine rechtspopulistisch, mitunter rechtsextrem tickende Bewegung als zweitstärkste Kraft und neue „Volkspartei“ im Osten: Wie konnte es 30 Jahre nach dem Mauerfall dazu kommen? Der Analysen gibt es seither viele. Und die meisten von ihnen gehen grosso modo in eine Richtung: Zentraler Nährboden für das Erstarken der rabiaten deutschen „Alternative“ sei das Gefühl, zu kurz gekommen, abgehängt worden zu sein von einem Westen, der nicht nur in puncto Marktmacht, sondern in der gesamten Weltdeutung den Osten überrollte. „Solidaritätszuschlag“ hin oder her.
Inwiefern dieses Gefühl (und der Hass auf kosmopolitische, polyglotte und oft entsprechend arrogant agierende Eliten) auch mit demografischen Dynamiken wie Abwanderung oder niedrigen Geburtenraten korreliert – und warum die „Imitation“ des Westens durch den Osten schon allein psychodynamisch scheitern musste, hat der bulgarische Politologe Ivan Krastev in der vergangenen FURCHE kenntnisreich erklärt. Und ja: Die Migrationskrise war und ist ein Katalysator dieser Stimmungen, ein Verstärker dieser Angst, zu verschwinden. Freilich auch an Orten, wo es kaum Geflüchtete gab und gibt.
Sensibilität für echte (und gefühlte) Probleme
So stark die neue „Alternative“ nun im Osten geworden ist, so dezimiert ist die alte Linke. „Wir sind die Kümmerpartei“, hatte der Fraktionschef der Linkspartei, Dietmar Bartsch, noch kurz vor der Wahl im ARD-Sommerinterview erklärt. So schnell und gründlich wurde noch selten eine Selbstzuschreibung zertrümmert. Um die Sorgen, Nöte und Ängste „des Volkes“ kümmert sich nämlich nun die AfD, und zwar auf ihre Art: mit dem partiellen Aufgreifen tatsächlicher Probleme – und der in hetzerischem Ton präsentierten Projektionsfläche „Flüchtling“ als Ursache von eh allem.
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