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Mittleres Murren

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Der am 26. Juli vom Statutenausschuß verabschiedete Entwurf eines Bundesorganisationsstatuts der ÖVP soll Ende November zur Beschlußfassung gelangen. An Stellungnahmen wird es sicherlich nicht fehlen, wurden doch schon kurz nach Bekanntwerden des Entwurfs erste Breitseiten gegen die „Reformierer“ abgefeuert.

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Der am 26. Juli vom Statutenausschuß verabschiedete Entwurf eines Bundesorganisationsstatuts der ÖVP soll Ende November zur Beschlußfassung gelangen. An Stellungnahmen wird es sicherlich nicht fehlen, wurden doch schon kurz nach Bekanntwerden des Entwurfs erste Breitseiten gegen die „Reformierer“ abgefeuert.

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Schon im Paragraph 1 (Wesen der ÖVP) findet sich statt der früheren

Formulierung .....auf Grund der abendländischen Kulturauffassung“ der Ausdruck der „Vereinigung von Menschen ..., die den öffentlichen Bereich nach christlich-demokratischen Grundsätzen gestalten wollen“. Waren bereits dieser Kompromiß-Eormel zahlreiche andere Vorschläge vorausgegangen, so ist nicht zu erwarten, daß die obige Bestimmung anwidersprochen hingenommen werden wird.

Ein zweifellos großer organisatorischer Schritt vorwärts wäre die Neugliederung der ÖVP in fünf Teil-Drganisationen, so daß in Hinkunft die österreichische Frauenbewegung jnd die in „Junge ÖVP“ umgetaufte österreichische Jugendbewegung als im wesentlichen gleichberechtigte Organisationen neben den drei Bünden stehen sollen. (Gleichzeitig wird auch die Einführung einer Altersklausel von 35 Jahren für Junge-ÖVP-Funk-:ionäre gefordert, um die vermehrte Produktion sogenannter „Berufs-ugendlicher“ zu verhindern.)

Auch was die Mitgliedschaft be-;rifft, sind Änderungen vorgesehen; lach den Vorstellungen der Refor-ner soll neben der Mitgliedschaft bei nehr als einer Teilorganisation auch die Möglichkeit gegeben sein, der 3VP (und keiner Teilorganisation), )der aber auch einer Teilorganisa-;ion (ohne gleichzeitige Mitglied-;chaft bei der ÖVP) anzugehören. Eine Bestimmung, die letztlich auch ?ine Schwächung der Bünde impliziert.)

Besonders wichtige Neuerungen inden sich bezüglich Kandidatenauf-jtellung, Altersklausel und Kumulie--ungsbeschränkungen. Einerseits soll die Kandidatenaufstellung durch die Möglichkeit der Vorwahlen auf unterer Ebene demokratisiert werden, anderseits soll dem Bundespartei-rarstand das Recht eingeräumt werden, 10 Prozent der Kandidaten zum Mationalrat — ohne Zwischenschal-;ung der Landesparteiorganisation — :u ernennen, um Fachleute statt loyaler Größen ins Parlament entsenden zu können. Ein Recht, das allerdings durch das nachfolgende Rei-lungsrecht der Länder abgeschwächt vird.

„Wer spätestens im Wahljahr das 35. Lebensjahr erreicht, darf für Wahlen in den Nationalrat, in den Bundesrat oder in die Landtage als Kandidat nicht mehr aufgestellt wer-len.“ Analoge Bestimmungen gelten mch betreffend die Ernennungen als Mitglied der Bundesregierung, fi'tr Staatssekretäre oder Mitglieder von Landesregierungen sowie auch in den Fällen, in denen der ÖVP in anleren Institutionen ein Vorschlags-'echt zusteht. Aber auch hinsichtlich ier Parteifunktionäre ist an die Einrichtung einer Altersklausel gedacht.

Die Bestimmung über Kumulie-•ungsbeschränkungen ist bereits der Mißbilligung vieler altgedienter Par-eifunktionäre ausgesetzt; heißt es doch im Paragraph 36 des Entwurfes: ,Bei jeder Wahl, Bestellung oder Aufstellung hat der vorgeschlagene Candidat bekanntzugeben, welche Funktionen oder Mandate er bisher ichon in der Gesamtpartei, in einer reilorganisation, in einem nahegehenden Verband, in einer beruf-ichen Interessenvertretung oder im ibrigen öffentlichen Bereich ausübte, ist offenkundig, daß die ordnungsge-näße Erfüllung der Pflichten der zu ibernehmenden Funktion oder des mszuübenden Mandates nicht mög-ich sein wird, ist das zur Wahl, Be-itellung oder Aufstellung berufene Drgan gehalten, von einer Übertragung der Funktion oder der Aufstel-ung Abstand zu nehmen.“

Der Paragraph 27 des Statutenentwurfs sieht eine Erschwerung der Wiederbestellung in Funktionen vor; gleichfalls ein Versuch, den Parteiapparat zu verjüngen, die Ersitzung

Bundesparteirat und Bundespar-teipräsidium (früher: Bundesparteileitung) weisen geänderte Zusammensetzungen auf, die einerseits eine gewisse Zurückdrängung der Bünde, anderseits schlagkräftige Gremien schaffen sollen, was vor allem die Wahrnehmung der Länderinteressen in einem erweiterten Bundespartei-vorstand bedeutet. Denn die Bundesparteileitung mit mehr als 50 Mitgliedern hatte sich als zu schwerfällig erwiesen: ein Reformvorschlag,

Mitglieder „ein Recht auf Information und politische Bildung“ findet; weiters steht im Paragraph 23 des Entwurfes, daß „Funktionäre, Mandatare und Dienstnehmer der Partei verpflichtet sind, an Schulungsveranstaltungen teilzunehmen“. So findet die zu errichtende „Politische Akademie“ bereits als zentrales Bildungsinstrument der ÖVP ihren statutarischen Niederschlag.

Die Kritiker an dem Entwurf haben nicht lange auf sich warten lassen. Vor allem Wirtschafts- und Bauernbund sehen im vorliegenden Entwurf eine Aushöhlung ihrer Positionen. Das „mittlere“ Parteiestablishment murrt; mühsam erworbene Positionen scheinen gefährdet, überkommene Rechte bedroht.

Zielscheibe der Kritik sind dabei vor allem die (jüngeren) Mitglieder führer Lanner. Dabei befindet sich, was die Reform der Kandidatenauslese oder die Altersklausel betrifft, die ÖVP sowieso im Stadium des Nachvollziehens von Reformen, die von der SPÖ bereits vorgenommen und mit Erfolg praktiziert worden sind: Bremser innerhalb der ÖVP sollten es sich daher — so argumentiert man an der Spitze — überlegen, etwa durch die Emotionalisierun g von Sachfragen eine bereits überfällige Reform zu blockieren.

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