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Päpstliche Basilika im Rasen

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Es ist wohl nicht ganz alltäglich, bei Feldarbeiten zufällig auf die Reste einer frühchristlichen Basilika zu stoßen. Der sensationelle Fund geschah im Herbst dieses Jahres, als der Salesianerpater Narcisio Gazzola, der für die landwirtschaftliche Bearbeitung eines Feldes am Stadtrand Roms verantwortlich ist, plötzlich bemerkte, daß das Gras an bestimmten Stellen - in kurvenförmig laufenden Streifen - nur sehr spärlich nachwuchs. Nach dem trockenen Sommer waren diese Spuren besonders auffällig und ließen auf einen darunterliegenden Bau schließen.

Gazzola verständigte den Vorsteher der Päpstlichen Kommission für Archäologie, Vincenzo Nicolai, und es verging etwas Zeit mit Forschungsarbeiten. Aber dann kam die Sensation: In einer Tiefe von zirka einem Meter entdeckte man zuerst die Apsis und dann die 90 Zentimeter dicken Mauern einer Basilika aus dem vierten Jahrhundert. Nach dem auf dem Feld entstandenen Relief ist die Basilika 66 Meter lang und 27 Meter breit.

Nach Auskunft der Experten handelt es sich um eine seltene Art von Umgangsbasilika und man glaubt, daß sie im Jahre 336 unter Papst Markus errichtet worden ist. Alten Dokumenten entsprechend ließ nämlich jener Papst eine Basilika mit den besagten Dimensionen bauen, die bis heute nicht gefunden wurde und die den selten vorkommenden zirkusförmigen Gang um die Apsis gehabt haben soll - genau wie dies bei den derzeit entdeckten Mauern der Fall ist.

Bis jetzt hat man in Rom erst vier solcher Basiliken gefunden, die bekannteste ist die von San Sebastiano auf der Via Appia, aber auch San Lo-renzo auf der Via Tiberina, San Ag-nese auf der Via Nomentana und San Pietro und Marcellino gehören auch zu dieser Art von Umgangsbasiliken. Der Ort, an dem man diese Mauern fand, heißt „Quo Vadis" und befindet sich zwischen der Via Appia Antica und der Via Ardeatina. Die Legende will, daß dort Christus dem Hl. Petrus zur Zeit der Christenverfolgung unter Nero erschienen sein soll.

Worin besteht nun die Charakteristik dieser seltenen Art von Umgangsbasilika? Die Kunsthistorikerin Paola Boccardi Storoni erklärte dazu, daß die Funde zu jenen Bestattungsbasiliken gehören dürften, die außerhalb der Stadtmauern erbaut wurden und sich von den Kultstätten innerhalb der Stadt dadurch unterschieden, daß ihre Seitenschiffe einen runden Gang bilden. „Einen Gang, der um den Altar herumgeht, so ähnlich wie die Piste, auf der die Athleten in ein Stadion laufen."

Solche Basiliken wurden meist über den Grabstätten verehrter Märtyrer gebaut. Die Gläubigen versammelten sich dort wohl an dessen Sterbetag zu Feierlichkeiten und die Pilger hielten sich wahrscheinlich in diesem runden Gang auf. In solchen Basiliken ließen sich auch jene Gläubigen bestatten, die es sich leisten konnten, um so nahe wie möglich bei dem Märtyrer zu liegen. „Um von der magischen Strömung, die von der Reliquie ausging zu profitieren, oder, besser gesagt, um an der wunderwirkenden Atmosphäre teilzuhaben", meint die Wissenschaftlerin.

In der Phantasie kann man sich bereits ausmalen, wieviele prachtvolle Sarkophage dort unten in Zukunft noch zum Vorschein kommen werden. Vorläufig aber wird sich der Rombesucher noch mit den auf einem grasbewachsenen Feld schwer sichtbaren Grundrissen dieser neuentdeckten Kultstätte begnügen müssen.

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