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„… und hat auch Ursach…“

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Unlängst, in einer Femseh- diskussion, sagte Dr. Kreisky, es sei 1955 nicht zum Aufbau einer gesunden österreichischen Landesverteidigung gekommen, weil kein Geld dafür vorhanden gewesen sei. Und später, sagte Dr. Kreisky, hätten die Militärs nie genug überzeugende Gründe für eine ausreichende Dotierung geliefert. Wenn man aber vom imminenten Kriegsfall absieht (wo es sowieso schon zu spät wäre) sind es gar nicht die Militärs, welche diese „Gründe“ zu liefern, nämlich der Landesverteidigung Seele und Geist einzuhauchen haben, sondern die Politiker, von denen das erwartet werden muß. Die unseren haben hierin versagt, und Dr. Kreisky stellt darin keine Ausnahme dar. Das hat natürlich Gründe.

Die Bereitschaft zur Landesverteidigung und deren Bereitung erfordern viel tieferreichende seelische Grundlagen im Volke als jedes andere Unternehmen der Gesamtheit. Alles andere — wie etwa Verkehr, Wirtschaft, Unterricht — bringt früher oder später erfreuliche Früchte. Von der Landesverteidigung erhofft sich jeder womöglich gar nichts — weil der Beweis ihrer Wirksamkeit auf jeden Fall mit Not und Tod verbunden ist. So ist sie — die vollendete Abstraktion nationaler Solidarität — nur verwirklichbar auf der Grundlage einer vollständigen, zum Instinkt gewordenen Identifizierung mit dem Land, seiner Geschichte, seinen Einrichtungen und Menschen. Alldies hat es in Österreich infolge des Auseinanderbrechens jeglicher nationalen Kohäsion zwischen 1914 und 1945 nicht mehr gegeben. (Die Phase 1938 bis 1945 — der Anschluß an Hitler-Deutschland — stellte hierbei den schmählichst mißlungenen Versuch zu einem Ausweg dar — unter schmählichen Vorzeichen und mit schmählichen Mitteln.)

Daher also das Versagen unserer Politiker, nach 1945 das Volk auf die Verteidigung des Landes und die hierfür nötige Opferbereitschaft anzusprechen. Stattdessen beschränkten sie sich darauf, von der „Verteidigung unserer Neutralität“ zu reden •— ein vollendeter Unsinn, weil die Neutralität selber nur ein Mittel und nicht ein Ziel unserer Verteidigung ist. Man versteckte sich hiermit hinter einem von außen zu vermutenden statutarischen Zwang zur Landesverteidigung, da man es nicht wagte, an den eigenen Willen des Volkes zur Verteidigung der Republik zu appellieren. Damit gewann aber die weitaus lautstarker vorgebrachte Wehrfeindlichkeit politischer Querköpfe, Immaturanten und Agenten eine sonst kaum mögliche (und heute bereits dahingeschwundene) Bedeutung, die dennoch letzten Endes dazu geführt hat, daß wir uns heute in bezug auf die Landesverteidigung wieder beim Jahr Null befinden. Nicht so ganz — da es die Politiker nun zuwege gebracht haben, sogar die Militärs zum Sprechen zu bringen. Und das war immer noch besser als gar nichts.

Ich glaube aber, daß es noch besser und vor allem nötig wäre, wenn die Politiker zu sprechen anfingen, und endlich ein österreichischer Regierungschef laut und kräftig ja zur Verteidigung dieses Landes sagte — zumal der Österreicher heute sehr wohl weiß, daß er wieder etwas besitzt, wert, verteidigt zu werden.

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