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Verteidigung gegen alle

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Uberhaupt: Wenn dem kommunistischen Sündenregister hier soviel Raum gewidmet wurde, so nicht, weil der Verfasser der Meinung ist, daß es die einzige oder vorwiegende Aufgabe der österreichischen Landesverteidigung ist, das Land gegen eine kommunistische Aggression zu schützen. Die Problematik und Geschichte solcher Aggressionen bedurfte lediglich deshalb ausführlicherer Behandlung, weil die begeistertste Zustimmung zu Professor Thirrings Vorschlag von den österreichischen Kommunisten, einiger Applaus aber auch von solchen Sozialisten kommt, welche den Kommunismus bei allen prinzipiellen Vorbehalten immer noch für irgendwie wesensverwandt und nicht als eine Bewegung ansehen, die bis dato nirgends, wo sie die Macht errang, demokratischen Sozialisten etwas von dieser Wesensverwandtschaft zugebilligt hätte.

Nein, es geht nicht um eine Verteidigungsbereitschaft gegen dieses oder jenes politische System oder Land. In dieser unserer Welt, wie sie heute ist, gibt es für ein Land wie das unsrige keinen Verzicht auf seine Verteidigungsbereitschaft, solange nur irgendein anderer Staat an seinen Grenzen existiert, der seine bewaffnete Kraft zumindest im Spiel der Politik einzusetzen imstande ist. So spielte anscheinend die österreichische Bescheidenheit Professor Thirring einen Streich, wenn er bisher darauf verzichtete, von den Nachbarn Österreichs — blockgebunden oder nicht — die gleiche vollständige Abrüstung zu verlangen, die er von uns fordert. Es ist schon richtig, daß man von sich immer mehr verlangen soll als von anderen — das gilt aber nicht in Fragen der Sicherheit. Warum verlangt Professor Thirring nicht die totale Abrüstung von dem an unser Land angrenzenden Teil Deutschlands — von dem man es nach vergangenen Erfahrungen naheliegenderweise verlangen könnte, und da die darauf zu erwartende Antwort ebenso naheliegt, warum nicht auch von dem anderen, dem östlichen Teil Deutschlands? Warum verzichtet er auf die noch näher liegende Abrüstung Ungarns, dessen Regierung wahrlich nichts von den es umgebenden Ländern zu befürchten hat, welche entweder die gleichen politischen Regime besitzen oder, wie das einzige nichtkommunistische Österreich, eben abgerüstet hätten?

Es gibt jedoch noch ein, vielleicht ernsteres Argument gegen Professor Thirrings Vorschlag:

Solange es keine allgemeine, von allen Nationen akzeptierte oder — wie vorhin ausgeführt — regionale Abrüstung gibt, ist das noch durchaus entwicklungsbedürftige österreichische Nationalbewußtsein sehr abhängig von der Bereitschaft der Österreicher, ihr Land mit allen seinen Errungenschaften und Eigenheiten zu verteidigen. Diese gemeinsame Bereitschaft ist eine fundamentale Voraussetzung unserer nationalen Existenz, ein Band, das uns auch für andere Erfordernisse eint. Die Notwendigkeit dessen wird von manchen, die den Vorschlägen Thirrings heute applaudieren, deshalb verkannt, weil die positiven Erfahrungen unserer Landesverteidigung in eine Zeit — die der Kämpfe um Kärnten und das Burgenland nach dem ersten Weltkrieg — zurückreichen, in der die meisten dieser jungen Leute noch nicht geboren waren, während die große negative Erfahrung vom- März 1938“'noch im Gedächtnis einer viel größeren Anzahl von Österreichern ist.

Andere wieder argumentieren mit der heutigen subjektiven Inefflzienz unseres Bundesheeres. Es deshalb ganz abzuschaffen wäre, wie wenn jemand seinen Arm, der ihm zu schwach dünkt, abhacken würde. Ob das Bundesheer in seiner heutigen Form den Ansprüchen der österreichischen Landesverteidigung gerecht wird, kann man diskutieren. Man soll es sogar. Nicht zuletzt aber ist unser Bundesheer deshalb ineffizient, weil — und das Auftreten Professor Thirrings ist hierfür ein Symptom — die Sozialistische Partei keine aktiv gültige Politik zur Landesverteidigung, sondern nur eine ambi-giöse, ungeklärte, unartikulierte und von überlebten Ressentiments überwucherte Meinung dazu besitzt. Die Sozialisten behaupten (und zum Teil mit Recht), daß das Bundesheer im Sinne von aus der deutschen Wehrmacht übernommenen Konzeptionen geführt wird. Was hat die Sozialistische Partei aber getan — personell und konzeptionell —, damit dem nicht so sei? Was müßte geschehen, was für einer Konzeption bedürfte es, damit das Heer zu einer auch von den Sozialisten voll akzeptierten Einrichtung wird? Davon müßte beim nächstenmal gesprochen werden.

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