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Unmündig, wenn’s ums Geld geht?

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„Die Menschen dieses Landes sind viel gescheiter, als wir Politiker es wahrhaben wollen”, zog SP-Wirtschaftsex- perte Dr. Emst E. Veselsky bei einem Gespräch mit mir anfangs dieses Jahres das Resümee aus einer großangelegten IFES-Untersuchung über die wirtschaftlichen Vorstellungen des homo austriacus. Alle seither veröffentlichten Umfrageergebnisse, wie erst kürzlich zum Thema Energiesparen, bestätigen diese Ansicht voll und ganz: Wo es um überschaubare Bereiche geht, entsprechend aufbereitete Informationen verfügbar sind und nicht jahrelang Verdummungskampagnen liefen, verfügen die Österreicher trotz der skandalösen Vernachlässigung dieses Bereiches in der Schule auch in wirtschaftlichen Dingen über ein gesundes Empfinden.

Nur: die Politiker wollen es nach wie vor nicht wahrhaben. Obwohl selbst neue Belastungen oder die Kürzung von Subventionen noch keinem Politiker den Kopf gekostet haben, wenn ihre Notwendigkeit einsehbar war, gehört der Hinweis auf das „mangelnde Verständnis der Bevölkerung” zur Standardausrede kurzsichtiger Politik. Wegen seiner vermeintlichen Hilflosigkeit in wirtschaftlichen Dingen schützt man den Bürger zu Tode - und läßt ihn dann, bildlich gesprochen, die Begräbniskosten Selbst bezahlen.

Man könnte den Bürgern dieses Landes - oder hält man sie für dümmer als die der Nachbarstaaten? - durchaus Zutrauen, daß sie sich auf einem freien Wohnungsmarkt die für sie günstigste Wohn- möglichkeit aussuchen und sich im Rahmen strenger rechtlicher Bestimmungen vor Übervorteilung zu schützen wissen. Statt aber den Bürgern diese Wahlmöglichkeit (bei gleichzeitiger Verstärkung des Rechtsschutzes) zu schaffen, ist man drauf und dran, die Unzulänglichkeiten des alten Mietrechtes nach dessen Zusammenbruch auf höherem Niveau zu zementieren. Neuer Slogan: Wohnen ist bedauerlicherweise nicht mehr umsonst, aber immer noch billig. Leider halt nur offiziell.

Von ähnlich falschen Voraussetzungen geht man auch bei den Sparzinsen aus. Obwohl es sich auch dort um einen für den Bürger überschaubaren Bereich handelt, will man ihn bei den Spareinlagen partout nicht Zutrauen, was man im Falle eines Kredites offenbar als selbstverständlich voraussetzt: Daß er in der Lage ist, sich darum zu kümmern, bei den Zinsen nicht übers Ohr gehauen zu werden.

Ebensowenig wie beim Mietrecht schützt freilich auch hier die Bevormundung. Die wirtschaftlichen Realitäten korrigieren inoffiziell stets schon nach kurzer Zeit die offizielle Reglementierung, wenn sie darauf keine Rücksicht nimmt.

Man sollte deshalb endlich aufhören, unter dem Vorwand, die Schwachen schützen zu müssen, die Staatsbürger in wirtschaftlichen Fragen zu entmündigen.

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