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Wirtschaft auf Irrwegen

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Die Sozialisten sind in keiner beneidenswerten Lage, wenn sie Ende dieser Woche mit rund 600 Vertretern des Wirtschaftsmanagements zu ihrer Konferenz in Linz Zusammentreffen: Die von den SPÖ-Zentralsekretären immer wieder totgesagte soziale Marktwirtschaft erfreut sich zwar nicht bester Gesundheit (welche Wirtschaft tut das auch?), immerhin aber lebt sie recht munter. Und, was den Genossen noch mehr weh tun müßte, jene Wirtschaftsordnung, von der im Parteiprogramm 1958 die Rede ist, die gibt es wirklich nicht.

Ein Blick in dieses Programm genügt:

Die Wirtschaftsordnung, die heute noch vorwiegend von dem aus der Ausbeutung stammenden Profit beherrscht wird, müsse in eine dem Gemeinwohl dienende umgewandelt werden, heißt es im Parteiprogramm. Sehr gut.

Und weiter: „Die SPÖ erstrebt daher eine gerechtere Eigentumsordnung und ein besser funktionierendes Wirtschaftssystem, in denen der Gemeinschaft die volle Verfügungsgewalt über die entscheidenden Produktionsfaktoren zukommt, das schließt ein, daß die Unternehmerinitiative, der Wettbewerb und der Preismechanismus im Rahmen einer ausschließlich der Allgemeinheit dienenden Wirtschaft einen weiten Spielraum haben werden.”

Woraus man nun den Schluß ziehen kann, daß nach siebenjähriger SPÖ- Regierung die Kreuzung zwischen dem Nußbaum und der Ziege noch immer nicht geglückt ist, oder aber, was wahrscheinlicher ist, daß der Wirtschaftsrahmen, der „ausschließlich der Allgemeinheit” dient, letztlich doch Unternehmerinitiative und Wettbewerb überflüssig werden ließ.

Gerade in den wirtschaftspolitischen Teilen des SPÖ-Programms erweisen sich heute manche Ankündigungen als „politisches Grabmal des unbekannten Soldaten”. Etwa jene Plankommission zur langfristigen Wirtschaftsplanung, „die unmittelbar dem Parlament untersteht und zu berichten hat”. Entweder es gibt diese Plankommission gar nicht oder die Sozialisten schämen sich für sie, weil man von ihr nichts hört.

Und da findet sich ein weiterer lustiger Punkt in der Finanzpolitik: „Verbrauchssteuern auf unentbehrliche Gegenstände des Massenkonsums sind zu beseitigen, weil sie die sozial Schwächeren, vor allem die Familien, besonders hart treffen.” Auch dieser Satz steht im Programm 1958. Keine Rede ist von einer Erhöhung der Mehrwertsteuer, von immer neuen Steuerschöpfungen und immensen Stempelgebühren.

Wer selbst im Glashaus sitzt, soll nicht mit Steinen werden. Auch nicht nach der sozialen Marktwirtschaft, die irgendwo in der Mitte der vom rein marktwirtschaftlichen bis zum extrem zentralverwaltungswirtschaftlichen System führenden Skala liegt.

Je mehr sozialistische Jahre über Österreich hereinbrechen, desto wahrscheinlicher wird, daß die hierzulande geübte rote Wirtschaftspolitik in der Praxis nicht im entferntesten mit dem theoretischen Ideengebäude identisch ist und daß sozialistische Wirtschaftspolitik von gekonntem Pragmatismus gekoppelt mit echtem Krisenmanagement dominiert wird.

In der Frage der Steuerreform haben in den Köpfen mancher Sozialismustheoretiker längst die Alarmsirenen zu heulen behonnen. Auf der einen Seite der Finanzminister, der seinen Beruf wirklich ernst nimmt und daher keine Minute verstreichen lassen will, zu kassieren, auf der anderen Seite der mächtige Gewerkschaftsbund, der längst erkannt hat, daß umverteilte Geldwerte nicht nurdem Staat, sondem auch dem einzelnen Arbeitnehmer in die Tasche fließen müssen.

Der Gewerkschaftsbund wird über-fordert, wenn er den Androsch-Standpunkt - keine Steuerreform vor 1979 - teilen soil. Ubrigens eine gehäs-sige Frage: Sollten die Nationalrats-wahlen von 1979 auf 1978 vorverlegt werden, zu welchem Zeitpunkt würde der Finanzminister dann eine Steuer-senkung für gesamtökonomisch und vollbeschäftigungspolitisch vertret-bar halten? Vielleicht doch schon 1978?

Bis heute ist es nicht gelungen, ein Wirtschaftssystem zu errichten, in dem sämtliche Arbeitnehmer auf pragmatisierten Dienstposten sitzen. Versammlungsredner sind aber im-mer wieder bemiiht, einen solchen Irrglauben zu schüren. Den Irrglau-ben von den schwindelerregenden Unternehmerprofiten und jenen pri-vaten Kapitalisten, die möglichst viele Arbeitslose vor den Fabriktoren sehen wollen, um die Löhne drücken zu kön-nen.

Bundeskammergeneralsekretär Arthur Mussil hat jüngst gesagt: „Jede Politik, die nicht die private Investi-tionstätigkeit fördert, ist eine Politik gegen die Vollbeschäftigung.” Und: „Eine überzogene Lohnpolitik muß sich auf die Arbeitsplätze auswirken. Das ist eine soziale Faile.”

Mussil geht leider nicht mit der Zeit. Denn Gewinne erzielende Unterneh-mer gehören einfach an den Pranger gestellt Das ist fesch. Gewinne ma-chen ist eine Schande. Steuern einhe-ben ist im Gegensatz dazu eine mora-lisch hoch einzustufende Eigenschaft.

ObmitProgramm oderohne: Mitih-rer Wirtschaftspolitik befinden sich die heimischen Sozialisten an Bord der friihneuzeitlichen Weltumsegler: Als sie loszogen, wußten sie nicht, wo-hin sie fuhren, als sie heimkehrten, wußten sie nicht, woher sie kamen.

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