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Ist das noch „Überproduktion“?

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‘ Das Resümee aus all den vorhergehenden Betrachtungen ergibt für das Kernproblem der Hochschülerfrage die Feststellung daß die Ueberproduktion von Akademikern gar nicht so groß ist, wie man im allgemeinen davon zu sprechen gewohnt ist, und die Ueberfüllung der Hochschulen nur eine Folge der durch den Krieg bedingten Stauwirkung war, die sich jedoch auf längere Sicht hin nicht nachteilig auswirken dürfte, da sie als Kompensation für die in den vorhergehenden Jahren niedrigen Zahlen kaum ausreicht. Bedenkt man nämlich, daß der Stand von 20.000 Studenten schon im Jahre 190910 fast erreicht war bezogen auf das heutige Staatsgebiet, in der Zeit von 1918 bis 1934 sogar durchweg überschritten wurde, so bleibt, bildet man für die folgende Zeit einen Durchschnitt, dieser sogar unter 20.000.

Es hat sich also — im ganzen gesehen — die Zahl der Hochschüler seit über 40 Jahren — trotz des Bevölkerungswachstums — nicht erhöht, was in Anbetracht des in dieser Zeit vor sich gegangenen technischen und dadurch hervorgerufenen wirtschaftlichen Aufschwunges, in Anbetracht des kulturellen Ausbaues, de Fortschrittes der medizinischen Forschung wie der Erweiterung des Verwaltungsapparates einem Rückschritt gleichkommt.

Es dürfte demnach die vorübergehende Ueberfüllung der Hochschulen nur in bezug auf die vorhandenen Hochschuleinrichtungen zutreffen, nicht aber in ihrer Auswirkung für das Wirtschaftsleben, da das Manko der Jahre von 1934 bis 1945 einen erhöhten Bedarf bewirkt haben müßte. Es sei denn, daß heute im Verhältnis zu früher der Prozentsatz derjenigen Studierenden, die ihr Studium nicht zu Ende bringen und daher als stellensuchende Akademiker ausfallen, geringer sei, oder daß schon seit Ende des ersten Weltkrieges die Zahl der Akademiker um so vieles größer gewesen wäre als der Bedarf, daß trotz der steigenden Erfordernisse durch den Aufschwung der Technik und der wissenschaftlichen Forschung heute die gleiche Zahl von Studierenden als zu groß, ihre Eingliederung in das Berufsleben entsprechend ihrer Vorbildung als unmöglich empfunden wird. Dies kann jedoch kaum der Fall sein. Die „Ueberfüllung" der Hochschulen dürfte daher keine schwereren Probleme aufwerfen, sofern sie sich nicht bloß auf die vorübergehende Ueberfüllung der Lehrsäle und Institute, auf die Ueberbeanspruchung der Professoren und des Hochschulpersonals bezieht. Da die Aufnahmemöglichkeiten im Staat und in der privaten Wirtschaft allem Ermessen nach gestiegen sein müssen, kann das Problem der Ueberproduktion von Akademikern bzw. der Bildung eines Akademikerproletariats nicht von den Hochschulen, sondern nur von der Wirtschaft her gelöst werden. Jede andere Maßnahme gesetzliche Studienbeschränkungen, müßte, abgesehen von ihrem den demokratischen Prinzipien widersprechenden Charakter, die Stellung Oesterreichs als Kulturstaat gefährden.

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