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Der Demagogie den Boden entziehen

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Das Grundübel in der aktuellen Diskussion ist die Heuchelei. Man fürchtet sich vor einem Porsche fahrenden Großgrundbesitzer, der sich selbst zum „Bobin Hood der kleinen Leute“ gegen die „Polit-parasiten“ erkoren hat und man fürchtet sich vor der kleinformatigen Boulevardpresse, die die Kaste der Politiker und Politikerinnen zum Abschuß freigegeben hat. Beide zeichnen sich nicht gerade durch ein ausgeprägtes Demokratieverständnis aus.

„Es gibt zwei Arten, aus der Politik einen Beruf zu machen“, schreibt Max Weber schon 1919 in seinem Essay „Politik als Beruf“, nämlich „Entweder: man lebt für die Politik - oder aber: von der Politik.“ Wer will nicht Politiker, die für die Politik leben und nicht von ihr? Aber Max Weber, als ernsthafter Wissenschaftler, fügt hinzu: „Der Gegensatz ist keineswegs ein exklusiver. In alle Regel vielmehr tut man, mindestens ideell, meist aber auch materiell, beides.“ Ideelles Engagement und materielle Basis gehören zusammen, ja letzteres ist vielleicht sogar die A'oraussetzung für ersteres. Im

Idealfall wünscht man sich Politiker, die in ihrem Handeln frei von persönlichen materiellen Interessen dem Gemeinwohl dienen.

Natürlich könnte man sich ein System ausdenken, in dem sogenannte Honoratioren die Politik dominieren, Persönlichkeiten, die aufgrund ihrer ökonomischen Lage imstande sind, nebenberuflich und für geringes oder ohne Entgelt für die Allgemeinheit tätig zu sein. Der Kreis der Menschen, die dafür in Frage kommen, wäre aber extrem eingeengt. Eine moderne Demokratie aber muß meiner Ansicht nach in den Parlamenten den gesamten sozialen Umfang unserer Gesellschaft widerspiegeln, so gut das eben geht. Ein politisches System, bei dem nur demjenigen der Zugang gelingt, der reich genug ist, wäre demokratiepolitisch ein enormer Rückschritt.

Daß es so schwierig ist, über Politikereinkommen sachlich zu diskutieren, hat freilich auch einen guten Grund. Seit Jahrzehnten wächst der Mißbrauch einiger Politiker, die sich maßlos an der öffentlichen Kasse bedienen und sich unverständliche und ungerechtfertigte Privilegien selbst bewilligen.

Seit es die Grünen im Parlament gibt und längst bevor Herr Haider sich dieses Themas bemächtigt hat, haben wir gegen diese Mißstände angekämpft. Dabei ging es uns in erster Linie um die Abschaffung der Pensionsprivilegien und der arbeitslosen Einkommen der Politiker. Denn es ist durch nichts zu legitimieren, daß zum Beispiel ein Begierungsmitglied bereits nach vier Jahren und ein Abgeordneter nach zehn Jahren mit einem hohen Anteil seines Letztbezugs pensionsberechtigt ist - Während ein normaler Bürger für eine wesentlich geringere Pension 35, 40 Jahre arbeiten muß. Ähnliches gilt für die arbeitslosen Einkommen. Im Unterschied zu allen anderen Parteien, sowohl der Regierung als auch der Opposition, sind die Grünen die einzigen, in deren Reihen es keinen Abgeordneten gibt, der ein arbeitsloses Einkommen bezogen hat oder bezieht. Es hat zehn lange Jahre, eine starke Politikverdrossenheit und einen „Fall Höchtl“ gebraucht, damit diese Mißbrauche endlich abgeschafft werden.

Die Einsetzung der Kommission, die von außen ein Modell für die Politikerbezüge erstellen sollte, war sicher ein richtiger, wenn auch verspäteter Schritt. Deren Grundphilosophie aber erscheint mir problematisch: von der Grundannahme, die „Res publica“ sei etwa mit dem Coca-Cola-Konzern gleichzusetzen, bis hin zur einzelnen, vollkommen willkürlichen Gleichsetzung politischer Mandate mit Posten in der Privatwirtschaft.

Dennoch stimmen viele Abschläge der Kommission mit unseren langjährigen Forderungen überein -und wir werden sie natürlich unterstützen. So der Grundsatz eines einzigen Bezuges, die Abschaffung arbeitsloser Einkommen, die Anpassung der Abfertigungsregelung an das Angestelltengesetz und vor allem die Pensionsregelungen nach dem ASVG-Prinzip.

AA'as uns aber als wesentlich erscheint, ist eine rasche und transparente Regelung, die das Aertrauen der Revölkerung gewinnen kann, damit der Demagogie endlich wieder der Nährboden entzogen wird. Denn sie gefährdet die Demokratie.

Die Autorin ist abgeordnete zum Nationalrai im Grünen Klub.

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