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England rechnete mit General Zeit

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In Anbetracht der Kongokrise wie der nur langsamen und schwierigen Entwicklung in Kenya war London auf Zeitgewinn bedacht. Es verlegte sich so darauf, längere Zeit hindurch mit beiden Seiten, sowohl Welensky wie den Nationalistenführern, zu verhandeln, unter denen Kaunda und seine Richtung inzwischen repräsentativ geworden waren. Das Endergebnis war eine Verfassungsreform, die zur Wahrung eines „schwarz-weißen“ Gleichgewichts ein überaus kompliziertes Wahlsystem vorsah. In einem auf 45 Sitze erweiterten Landtag sollten je 15 Sitze durch direkte Wahl zweier Wählerklassen, einer nach den geforderten Qualifikationen „höheren“ und einer „niedrigeren“, ermittelt werden. Von den übrigen waren die meisten derart zu ermitteln, daß ein weißer Kandidat mindestens zehn Prozent der afrikanischen und ein Afrikaner mindestens zehn Prozent der weißen Stimmen erhalten mußte, um gewählt zu sein. Dies sollte sowohl den liberalen Weißen, die im früheren Landtag mit drei Abgeordneten der „Zentralafrikanischen Partei“ Sir John Moffats als auch dem gemäßigten „Nationalkongreß“ unter Harry Nkumbula eine Chance für die Übergangszeit geben und das harte Aufeinanderprallen der Gegensätze vermeiden. Das erste Ergebnis dieses ingeniösen Systems aber war: Unabhängigkeitspartei (Kaunda) 13 Sitze (65.000 Stimmen); Föderalisten (Welensky) 15 Sitze (22.000 Stimmen); Nationalkongreß (Nkumbula) 5 Sitze (17.000 Stimmen).

Die Liberalen (Moffat) gingen vorerst leer aus, während über eine Reihe von Sitzen der mittleren Kategorie keine Entscheidung fiel und Nachwahlen am 10. Dezember stattfinden. Welensky errang alle Sitze der oberen Wählerklasse, Kaunda 80 Prozent der auf die untere Kategorie entfallenden und nur einen der mittleren; Nkumbula brachte es aus der unteren und mittleren zusammen auf fünf. Kaunda errang aber alle auf die untere Wählerklasse entfallenden Sitze, sowohl im „Kupfergürtel“ wie in Barotseland.

Das vom Bantuvolk der Lozi bewohnte Barotseland hat in Rhodesien stets eine besondere Rolle gespielt, weil es, seiner gesellschaftlichen Ordnung nach, unter der Oberherrschaft seines Stammesfürsten Lewanika steht, der ein Verbündeter Welenskys war und auch dessen Bundesregierung angehörte. Barotseland hat auch mehrmals das Ersuchen um Abtrennung von Nordrhodesien gestellt und hat in den Plänen um eine Neugestaltung der Föderation, nach dem früher oder später erwarteten Verlust Njassaland, als mögliches „drittes Bundesland“ eine Rolle gespielt, ein Plan, dem sich die Nationalisten stets als dem Versuch, „ein neues Katanga“ zu schaffen, hart widersetzen.

Der Schatten des Präsidenten von Katanga, Tschombe, fällt auch sonst auf Rhodesien. Man muß dafür nicht an die Vorkommnisse der letzten Jahre erinnern. Tschombe hat bisher Nkumbula unterstützt, dessen direkte Verankerung aber nicht im Kupfergürtel, sondern im Gebiet der Tonga- und Ilavölkerschaften weiter im Süden liegt. Kaunda hat ihn deshalb aufgesucht und gewarnt; er werde sonst von einem kommenden, unabhängigen Rhodesien wenig Gutes zu erwarten haben. Nkumbula hat nun nach den Wahlen Koalitionsangebote sowohl an Welensky, falls er aufhörte, an der politischen Föderation mit dem „weißen“ Süden festzuhalten, als auch an Kaunda, falls er sich „von Terror und Kommunismus“ lösen würde, gerichtet, um doch „eine afrikanische Mehrheit gegen die Vorherrschaft der weißen Minderheit“ zustande zu bringen.

Ob der weitere Gang der Dinge ein erstrebtes, prekäre „Gleichgewicht“ in Nordrhodesien bringen kann, ist also unsicher. Am 14. Dezember wird Südrhodesien ein Parlament mit 45 weißen und 15 afrikanischen Abgeordneten wählen. Der Ministerpräsident der autonomen Regierung, Sir Edgar Whitehead, der Konzessionen an die Afrikaner in einem freilich von diesem abgelehnten langsamen Tempo nicht ganz abgeneigt ist, läuft hier Gefahr, selbst seine Mehrheit an rechtsradikale Kreise zu verlieren. Die Möglichkeit einer nachmaligen Sezessionserklärung Südrhodesiens an England und einer engeren Vereinigung mit Südafrika ist damit nähergerückt. Freilich ist Südrhodesien kein souveräner Staat, und eine solche Entwicklung könnte leicht eine ähnliche Richtung nehmen wie seinerzeit die in Algerien. Ihre Folgen wären nicht abzusehen.

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