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Preislawine vom Gegenhang

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Die D-Mark-Aufwertung vor nunmehr bereits rund einem Monat und die damit verbundene Entscheidung der verantwortlichen österreichischen Stellen, mit der Schilling-Parität nicht ganz oder auch nur teilweise mitzuziehen, haben die Bundesregierung in fieberhafte Aktivität versetzt: Angesichts der Märzwahlen des kommenden Jahres kann sich eine auf dem Teuerungsargument aufgebaute Oppositionspolemik für die Regierung Klaus durchaus tödlich auswirken — und das volle Durchschlagen der Preiserhöhungen im Gefolge des DM-Vorwandes auf den Index wäre , nach Meinung von Fachleuten just knapp vor den Wahlen zu gewärtigen gewesen.

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Die D-Mark-Aufwertung vor nunmehr bereits rund einem Monat und die damit verbundene Entscheidung der verantwortlichen österreichischen Stellen, mit der Schilling-Parität nicht ganz oder auch nur teilweise mitzuziehen, haben die Bundesregierung in fieberhafte Aktivität versetzt: Angesichts der Märzwahlen des kommenden Jahres kann sich eine auf dem Teuerungsargument aufgebaute Oppositionspolemik für die Regierung Klaus durchaus tödlich auswirken — und das volle Durchschlagen der Preiserhöhungen im Gefolge des DM-Vorwandes auf den Index wäre , nach Meinung von Fachleuten just knapp vor den Wahlen zu gewärtigen gewesen.

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Die „Arbeiter-Zeitung“ hat am 21. November bereits in diese Kerbe geschlagen und der Regierung vorgeworfen, daß sie es verabsäumt habe, „das Preisklima entsprechend zu verändern“, worauf Bundeskanzler Klaus mit der Feststellung antwortete, daß „für die Stabilität des Schillings und die Ruhe auf dem Lohn- und Preissektor alle verantwortlich seien“. Schon vorher aber — und etwas im Gegensatz zu dieser Erklärung — glaubte man es sich mit „Indexkosmetik“ billig machen zu können: Billig allerdings nicht in den Auswirkungen auf das Budget, denn hier sind nicht unerhebliche Mindereinnahmen zu gewärtigen; billig aber insofern, als man glaubte, mit der Reaktivierung einer Art Preispolizei und gezielten, mit harten Auflagen verbundenen Zoll- und anderen Gebührensenkungen die Folgen der D-Mark-Aufwertung auf den Preisindex möglichst klein halten zu können.

Die Hoffnungen, die in diese Maßnahmen gesetzt wurden, dürften sich

— das darf heute wohl schon gesagt werden, ohne dem Vorwurf der „Preishysterie“ anheimzufallen — zumindest nicht voll erfüllen. Man übersah nämlich bewußt oder unbewußt, daß der Preis in einer Marktwirtschaft eine Funktion von Angebot und Nachfrage ist und die Kalkulation letztlich nur über Rentabilität oder Unwirtschaftlichkeit der Produktion oder des Vertriebs entscheidet. Auch höhere als aufwertungsbedingte Preissteigerungen können dem Verkäufer dann nicht vorgeworfen werden, wenn er erstens keine Monopolstellung hat und die Konsumenten zweitens bereit sind, den höheren Preis auszulegen.

Neben den mit der D-Mark-Aufwertung begründeten Preissteigerungen von Importwaren, denen man mit der „Indexkosmetik“ zu Leibe rük- ken wollte, drohen aber nun auch andere, rein „intern“ begründete und höchst indexwirksame Preiserhöhungen: Daß sie gerade eminent „politische“ Preise betreffen, macht die Lage nicht leichter. Nach der

Vorlage einer Bierpreisforderung an die Paritätische sind die Mehl-, Brot- und Milchpreise ins Wanken geraten.

Die Preis-(Index-)Lawine scheint also derzeit auch vom Gegenhang zu kommen und könnte dadurch eine mit unglücklichen Argumenten (und nicht zu haltenden Versprechungen) operierende Regierung arg ins Hintertreffen bringen.

In der Bundesrepublik war man da seinerzeit etwas fortschrittlicher: Als Mittel zur Konjunktursteuerung hatte man die Unternehmereinkommen zunächst bewußt stärker vorpreschen lassen — wobei sich die Sozialpartner über diese Maßnahme durchaus einig waren — und bremste die folgenden Uberhitzungsersöhei- nungen mit Lohnforderungen herunter; daß die Gewerkschaften der damaligen Regierung in Einzelfällen dabei sogar zuwenig forsch vorgingen, sei hier nur am Rande erwähnt.

Die Lohn- und Gehaltsforderungen sind also in Österreich durchaus nicht bloß ein Mittel zur Unterstützung sozialistischer Wahlkampf- päröleh; mäh wird sich im Gegenteil auch hierzulande daran gewöhnen müssen, daß die Sozialpartner — natürlich in gewissen Grenzen — eine von der Tagespolitik relativ unabhängige Verhandlungstaktik einschlagen und dabei sogar gelegentlich ihren „dazugehörigen“ Parteien ein wenig ins Gehege kommen.

In Österreich liegt das Schwergewicht der Arbeitnehmerforderungen derzeit weniger auf Gehaltswünschen denn auf Arbeitszeitverkürzung, was durch das Volksbegehren zur 40-Stunden-Woche ja nachdrücklich manifestiert wurde. Daß dies unter Umständen allerdings wesentlich hemmender wirken kann als bloße Gehaltsforderungen, liegt auf der Hand.

Diese Entwicklung trifft durchaus nicht nur Österreich allein, im Gegenteil: zusammen mit Deutschland (als „Stabilitätsfetischisten“) und der Schweiz zählen wir eher zu den Ländern mit großer Preisstabilität. Wenn wir im nächsten Jahr mit einem stärkeren Preisauftrieb rechnen müssen, liegt das durchaus im internationalen Gleichschritt, dem wir uns auf die Dauer weder hier noch auf dem Zinsensektor völlig entziehen können.

Um aber bei dem Gleichnis von der Preislawine zu bleiben: Die Forderung hat hier nicht ausschließlich nach kostspieligen Lawinenschutzbauten zu gehen, mit denen die Regierung Preisauftriebstendenzen nicht durch konjunkturpolitische Vorbeugungs-, sondern durch preis- polizeiliche Ad-hoc-Interventionen abzufangen hätte. Von Sonderfällen — Monopole und Quasimonopole — und Extremfällen wie Preistreiberei abgesehen, haben wir die Form der Marktwirtschaft auch dann zu respektieren, wenn es schwerfallen mag. Wenn, die Entscheidung für die Nichtaufwertung des Schilling schon gefallen ist, müssen die diesbezüglichen Konsequenzen ebenso getragen werden wie jene aus anders motivierten Preiserhöhungen. Preislawinen kann man in einer Marktwirtschaft teilweise ausweichen, anderseits werden sie durch die Steigerungen der Löhne und Gehälter weit überkompensiert — wogegen verständlicherweise kaum je Geschrei erhoben wird...

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