Mensch statt Konzern

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Hermann Knoflacher über Mittel, Ziele und eine "Rückholaktion der Fehlkonstruktion Konzern".

Herr Knoflacher, in ihrem Vortrag beim Symposium haben Sie die Ansicht vertreten, die Vermehrung des Kapitals sei nicht mehr Mittel zum Zweck, sondern inzwischen Selbstzweck geworden.

Hermann Knoflacher: Alle Weltreligionen trennen strikt zwischen der Causa Effizienz, also dem Mittel zur Erreichung eines Zwecks, und dem Zweck selber, der Causa Finalis. Diese Causa Finalis ist uns verlorengegangen durch Naturwissenschaft und Technik. Sie fragen nicht nach dem "Wozu", sondern nur nach dem "Wie". Die Regeln, nach denen die Naturwissenschaften einen Teil aus der Realität herausschneiden, enthalten ja kein ethisches Prinzip. Und die Frage nach dem Wozu hat nun die Ökonomie aufgefüllt, die mit ihrer Mystik der unsichtbaren Hand so etwas wie eine göttliche Sendung verkündet.

Welche Rolle spielt der Mensch dabei?

Knoflacher: Er ist ja normalerweise eingebettet in eine Gemeinschaft. Wird diese Gemeinschaft zerstört und das Individuum isoliert, ist es manipulierbar. Einem glücklichen Individuum kann man nichts verkaufen. Also muss man es unglücklich machen und ihm dann sagen, was ihm noch fehlt zum Glück. Dieses Fehlen wird mit Industriegerümpel aufgefüllt. Den Menschen wird erzählt, dass der einzige Maßstab ihres Handelns Geldgewinn sein sollte, nicht Glück und Zufriedenheit, die die Causa Finalis repräsentieren. Statt dessen macht man eben Geld und Macht zur Causa Finalis.

Wie konnte es so weit überhaupt kommen?

Knoflacher: Durch die Einführung des Bruttonationalproduktes als einzigen Indikator politischen Handels nach dem Zweiten Weltkrieg. Es war damals absolut richtig, das Bruttonationalprodukt als Indikator für die darniederliegende Wirtschaft einzuführen. Aber das ist, wie wenn man bei einem Baby den Fortschritt am Gewicht misst. Es ist nun einmal nicht mehr zweckmäßig, sich jedes Jahr zu freuen, dass das Kind wieder ein Jahre älter wird und wieder zehn Kilo zugelegt hat, wenn es schon 180 Kilo wiegt. Da wird ein anderer Maßstab notwendig. Schließlich läuft seit den 70er Jahren die Entwicklung von Bruttonationalprodukt und Wohlstand der Menschen diametral auseinander. Die Politik aber klammert sich immer noch an das BNP. Damit arbeitet sie für das anonyme Kapital und nicht mehr für das menschliche Glück.

Und wie könnte Ihrer Ansicht nach der Maßstab für das menschliche Glück aussehen?

Knoflacher: Es gibt ja den Happiness-Indikator in der Glücksforschung. Da zeigt sich, dass ab einem gewissen Jahreseinkommen die Leute nicht mehr glücklicher werden. Wozu also noch mehr verdienen? Wozu noch mehr Industriegerümpel zuhause ansammeln? Wachstum ist gut als Mittel, damit die Menschen glücklicher werden, damit es ihnen besser geht. Aber wenn das nicht mehr der Fall ist, ist zusätzliches Wachstum sinnlos.

Und welche Rolle spielen nun die Religionen?

Knoflacher: Es wäre meiner Ansicht nach eine wichtige Aufgabe der Religionen, das alles endlich zu begreifen. Aber nur der Islam lehnt sich dagegen auf, weil er auf einer Quelle angesiedelt ist, nämlich dem Erdöl, das die Grundlage des heutigen Kapitalismus ist. Hier haben aber alle Religionen versagt, weil es ihnen nicht gelungen ist, das Allgemeingut fossile Rohstoffe vor dem Zugriff und der Abwertung zur Ware zu schützen. Alle fossilen Rohstoffe gehören allen Menschen aller Zeiten. Wenn man davon ausgeht, dass in zwanzig Jahren diese Quelle versiegt ist, dann darf man sie nur dann einsetzen, wenn man sicher ist, dass damit eine Technologie geschaffen wird, die den späteren Einsatz dieser Energiequelle erspart. Energie und Geld sind ja identisch, nur kann man mit Geld die Leute täuschen. Und dann taucht eben die virtuelle Realität des Geldes auf, die Zusammenbrüche ja schon hinter sich, aber viel mehr noch vor sich hat. Mit einer unglaubliche Menschenverachtung und Arroganz sagen die Vertreter dieser Ideologie, wir müssten die periodischen Zusammenbrüche des Geldsystems mit all den sozialen und ökologischen Folgen in Kauf nehmen, um dieses System aufrechtzuerhalten.

Das klingt ja ziemlich hoffnungslos ...

Knoflacher: Hoffnungslos nicht, man muss nur endlich handeln. Viele Teile der Schöpfung sind schon unwiederbringlich verloren: Tiere, Pflanzen, Sprachen, Kulturen sind für immer weg. Aber es ist nie zu spät zum Handeln. Irgendwo sitzen irgendwelche Verrückten, die Sklaven ihres Kapitals sind. Und da muss man ansetzen.

Wie stellen Sie sich diesen Ansatz vor?

Knoflacher: Eine Rückholaktion der rechtlichen Fehlkonstruktion Konzern gehört dazu, denn sie hat diese negative Entwicklung erst möglich gemacht. Konzerne in der heutigen Form sind bedrohlich für alles Leben, sie haben Konstruktionsfehler. Wir brauchen bessere Konstruktionsanweisungen, zum Beispiel: Ein Konzern darf sich niemals gegen physische Menschen oder demokratische Entscheidungen durchsetzen können. Wenn eine Gemeinde oder ein Land einen Konzerneingriff ablehnt, ist das für den Konzern bindend. Der Mensch und die menschliche Gemeinschaft müssen immer stärker sein als dieser Golem.

Wie groß ist Ihre Hoffnung auf Realisierung dieser Forderung?

Knoflacher: Wenn man etwas als richtig erkannt hat, wird es sich im Laufe der Zeit durchsetzen. Es ist nur die Frage wann.

Hermann Knoflacher studierte Bauingenieurwesen, Geodäsie und Mathematik. Er ist Vorstand des Institutes für Verkehrsplanung und Verkehrstechnik an der tu Wien. Neben seiner Tätigkeit bei zahlreichen internationalen Organisationen ist er Präsidiumsmitglied des Club of Vienna.

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