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Nagelprobe für Koalition

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Ach, wie wenig haben die Wahlverlierer gelernt. Die ÖVP habe ohnedies gute Arbeit geleistet, beklagte sich ÖVP- Generalsekretärin Ingrid Korosec: bloß sei es nicht gelungen, dies dem Wähler klar zu machen. Die Argumentation ist bekannt: von den fünf anderen ÖVP-Generalse- kretären, die seit 1986 amtierten, ebenso wie von den koalitionären Gegenspielern in der SPÖ.

Es bleibe im Interesse der Republik nichts anderes übrig, als eine Fortsetzung der Koalition zwischen SPÖ und ÖVP, argumentieren die - gegenwärtigen - Spitzenpolitiker der beiden Wahlverlierer. Sollte es dazu kommen, so müsse dies allerdings eine Koalition „neuen Stils“ sein, geloben Busek und Vranitzky unisono. Während ersterer Aussage - angesichts der Verweigerung der derzeitigen Oppositionsparteien — eine gewisse Stichhaltigkeit nicht abgesprochen werden kann, ist letztere nicht gerade glaubwür- dig.

Denn wie könnte diese „Neue Koalition“ aussehen? Wird den Koalitionsparteien mehr Freiraum eingeräumt, sind noch stärkere Konflikte zwischen SPÖ und ÖVP vorprogrammiert: beide müssen mehr Profil zeigen - dadurch ent- seht der Eindruck von Zerstritten- heit. Geht man den entgegengesetzten Weg, entsteht wiederum der Eindruck einer SPÖVP- Einheitspartei.

Die Nagelprobe für den „neuen Stil“ der hoffentlich geläuterten Koalitionsparteien erfolgt bereits nächste Woche, nämlich beim nächsten Versuch des proporzgemäß besetzten ORF-Kuratoriums, mit Zwei-Drittel-Mehrheit einen neuen ORF- Generalintendanten zu wählen. Dabei wird genau jene Zwickmühle erkennbar, die den Koalitionsparteien in Hinkunft bei allen Personal- und Sachentscheidungen droht: einigen sich SPÖ und ÖVP rasch auf den Favoriten Gerhard Zeiler, setzen sie sich dem Vorwurf aus, im Interesse ihres Machterhaltes einen überaus wichtigen Posten parteipolitisch zu besetzen. Einigen sie sich nicht, so wird ein für den ORF unhaltbarer Zustand prolongiert.

Und schließlich die Gretchenfrage: Können SPÖ und ÖVP der Versuchung widerstehen, den wahlentscheidenden ORF im nachhinein zu „disziplinieren“? der Bundesregierung werden vom Bundespräsidenten ernannt Zur Entlassung des Bundeskanzlers oder der gesamten Bundesregierung ist ein Vorschlag nicht erforderlich; die Entlassung einzelner Mitglieder der Bundesregierung erfolgt auf Vorschlag des Bundeskanzlers. Die Gegenzeichnung erfolgt wenn es sich um die Ernennung des Bundeskanzlers oder der gesamten Bundesregierung handelt, durch den neubestellten Bundeskanzler, die Entlassung bedarf keiner Gegenzeichnung.

Das bedeutet, daß der Bundespräsident, vom Gesetzestext der Verfassung her, bei der Regierungsbildung weitgehend freie Hand hat. Er kann, muß sich aber nicht an die bisherigen Gepflogenheiten halten. Die bisherigen Traditionen und Konventionen bei der Regierungsbildung beschreibt der Verfassungsrechtler

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