7092860-1994_36_14.jpg
Digital In Arbeit

Zu leiden haben vor allem Frauen

19451960198020002020

Als „Katastrophe für die Betroffenen“ sieht der Autor, als konservati- ver Moraltheologe bekannt, das UNO-Programm zur Bevölkerungskontrolle an.

19451960198020002020

Als „Katastrophe für die Betroffenen“ sieht der Autor, als konservati- ver Moraltheologe bekannt, das UNO-Programm zur Bevölkerungskontrolle an.

Werbung
Werbung
Werbung

Glaubt man der Berichterstattung über die Entwicklung der Weltbevölkerung und die Programnje der UNO zur Geburtenkontrolle, wie sie in Kairo beschlossen werden sollen, besteht die Kernfrage in dem Ja oder Nein zur Verhütung. Alles wäre halb so schlimm, gäbe es da nicht die kirchliche Lehre von der Unmoral künstlicher Verhütungsmittel.

Abgesehen davon, daß die Verhütungs-Frage nur unter ferner liefen zu diskutieren ist und die Bevölkerungs-Entwicklung viele andere, vorrangige Fragen äufwirft, möchte ich die kirchliche Diskussion einmal ausblenden und die These vertreten: Auch wenn sich das Lehramt in dieser Frage irren sollte, folgt nicht die Richtigkeit der UNO-Programme zur Bevölkerungskontrolle. Sie sind ein Irrweg, unter dem vor allem die Frauen leiden werden, und zwar aus folgenden Gründen:

1. Die Entwicklungsländer sollen hach Absicht der UNO den Großteil der (und auf lange Sicht wohl die ganzen) Kosten für Verhütungsmittel selbst tragen. Das ist eine neue Belastung der Armen, wobei ihnen die Freiheit genommen wird zu entscheiden, wofür sie ihr Geld ausgeben wollen und wofür nicht.

2. Die UNO-Zuschüsse zu den Verhütungs-Projekten fließen samt den Geldern aus den Entwicklungsländern nicht nur in die Industrie der Reichen zurück, sondern verringern auch die Gelder für andere Entwicklungshilfe.

3. In den Entwicklungsländern wird es noch lange keine flächendeckende gynäkologische Begleitung geben. Die Abgabe so hochwirksamer Substanzen ist daher medizinisch unverantwortlich.

4. In der Realität werden den armen, farbigen, ungebildeten Frauen Mittel zugemutet, die an ihnen getestet werden und die man einer Europäerin nicht geben würde.

5. Die Pharma-Industrie sucht nach Langzeit-Präparaten für die Entwicklungsländer. Aber gerade solche Mittel bedrohen die Freiheit der Ehepaare, sie auch wieder absetzen zu können.

6. In vielen Entwicklungsländern ist die Frau schlecht gestellt. Verhütungsmittel machen sie sexuell noch mehr verfügbar.

7. Die Programme zur Verhütung lenken von vielen anderen Problemen ab. Außerdem schaffen sie die Versuchung, andere Hilfsprogramme von der Akzeptanz der Kontroll- Programme abhängig zu machen, wie dies schon oft geschehen ist.

8. Die staatliche Propaganda für Verhütungsmittel greift tief in die religiösen und sittlichen Vorstellungen der Menschen ein. Solches zu tun, kann nicht Aufgabe der UNO sein.

9. Im Zusammenhang mit Verhütungs-Programmen wurden Milhonen Menschen getäuscht, erpreßt, verlockt und mit Gewalt sterilisiert. Außerdem sind viele von denjenigen, die die Verhütungsprogramme beschließen, finanzieren und durchführen, identisch mit jenen Leuten, die auch die Abtreibung propagieren.

10. Die natürlichen Methoden der Empfängnisregelung sind im Vergleich dazu sowohl moralisch als auch medizinisch absolut unbedenklich; sie sind laut einer renommierten Fachzeitschrift wie dem „British Medical Journal“ effizient und für die Dritte Welt besonders geeignet; sie kosten, von den Schulungen abgesehen, nichts und fördern die Partnerschaft von Mann und Frau. Dadurch könnte von ihnen ein wichtiger Impuls zur Überwindung der Macho-Gesinnung und damit zur Befreiung der Frau ausgehen.

Daß es für viele Ehepaare der Dritten Welt besser wäre, weniger Kinder zu haben, steht außer Streit. Aber daraus folgt nicht das Ja zu den UNO-Plänen. Sogar wenn die Verhütungsmittel für uns gut wären, für die Entwicklungsländer sind sie es nicht, vor allem nicht bei den Rahmenbedingungen, die der UNO vorschweben.

Das UNO-Programm zur Bevölkerungskontrolle wird sich - wie so mancher Staudamm und andere Prestige-Projekte „für die Armen“ - als Katastrophe für die Betroffenen erweisen, und niemand wird dann die Verantwortung dafür tragen wollen.

Es ist daher abzulehnen, und dazu bedarf es nicht einmal des Glaubens an den Papst.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung