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Budget und Konjunktur

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Wachstumsbudget, konj unkrtur-gerechtes Budget, antizyklisches Budget — solche Wortschöpfungen drücken die Erwartungen von Theoretikern und Politikern aus, man könne mit Hilfe des Budgets die Konjunktur und das Wachstum der Wirtschaft lenken. Seit Keynes' „Allgemeiner Theorie“ (1936) lädt man dem Budget nicht nur die Aufgabe auf, Geld für den Staatshaushalt zu beschaffen und eine gerechte Einkommensumverteilung herbeizuführen, sondern auch die Vollbeschäftigung zu sichern, die mangelnde Investitionslust der Privatunternehmer zu ersetzen und bei gesichertem Geldwert ein stetiges Wachstum des Sozialproduktes zu garantieren.

Kann das Budget — im Zusammenwirken mit der Notenbank — diese vielfältigen Aufgaben leisten? Was in der Theorie einfach erscheint, ist in der Praxis an viele Voraussetzungen gebunden.

Konjunktur oder Struktur?

Da ist zunächst klarzustellen, ob die Konjunkturschwäche nur eine vorübergehende Ermüdung der Privatinitiative nach einem überhitzten Hochschwung ist oder ob sie auf anhaltenden Strukturverzerrungen der Wirtschaft beruht, die nur im Hochschwung nicht sichtbar waren. Im einen Fall genügt ein einmaliger Investitionsstoß, im anderen Fall aber bedarf es gezielter Eingriffe in einzelnen Branchen — etwa Umstellung von der Rohstoff- auf die Verarbeitungsindustrie, Förderung der Dienstleistungsgewerbe, Einschränkung der landwirtschaftlichen Produktion, Beschleunigung des Konzentrationsprozesses, bessere Streuung des Exportes. Diese Arbeit kann das Budget und die Notenbank in der heutigen Form nicht leisten, hier bedarf es einer Rahmenplanung, wobei sich noch die Frage stellt, ob sich das optimale Produktionsprogramm für die Gesamtwirtschaft mit ebensolcher Genauigkeit errechnen läßt, wie für den Einzelbetrieb mit Hilfe der linearen Programmierung.

„Die Pferde saufen nicht!“

Einer solchen Planung stellt sich in vielen Ländern, auch in Österreich, das ideologische Leitbild der Marktwirtschaft entgegen, in der Entscheidung über Richtung und Ausmaß der Produktion beim Unternehmer verbleibt, der selbst dazu keine anderen Orientierungstafeln braucht als Markt und Preis. Man scheut sich aus diesem Grunde sogar, Steuerbegünstigungen oder Kreditgewährungen selektiv, nach Branchen gezielt, zu geben, die Zinssätze zu differenzieren oder die Exportprämien zu staffeln. Damit beraubt man aber die Budgetpolitik eines ihrer wirksamsten Instrumente der Konjunkturlenkung und Strukturverbesserung.

Dazu nur ein Beispiel: Wenn die Investitionsbegünstigung ohne Unterschied' der Branche und des Projektes gewährt wird, so werden auch noch so große Steuergeschenke den Unternehmer nicht veranlassen, seinen Maschinenpark und seine Gebäude zu erweitern, wenn die Kapazität des Betriebes jetzt schon nicht voll ausgenützt ist. Er wird weniger nützliche Anschaffungen machen, oder, wenn auch schon das Ansparen für künftige Investitionen begünstigt

wird, Geld horten. Von solchen Wachstumsgesetzen ist natürlich kein Impuls zur Überwindung einer Konjunkturschwäche zu erwarten. So bemerkte ein Wirtschaftsminister enttäuscht: „Der Wassertrog ist voll, aber die Pferde saufen nicht.“ Gezielte Investitionen jedoch für bestimmte Branchen oder spezielle Projekte riechen nach Planung und sind daher tabu.

Investitionen haben in jeder Branche einen anderen Wachstumseffekt. Bisher wurde nur für die USA errechnet, daß im Wohnungsbau und im Fremdenverkehr acht Dollar investiert werden müssen, um einen Dollar Mehrertrag zu erzielen, in der Verkehrswirtschaft vier Dollar, in der Stahlindustrie ein Dollar, in der chemischen und Elektroindustrie 80 Cents und im Bankwesen gar nur 30 Cents. Nun kann man natürlich nicht alles in Bankfilialen investieren (wenn es auch manchmal den Anschein hat), aber diese Skala der Investitionseffekte legt doch die Aufstellung von Präferenzen nahe, welche Zweige und welche Projekte vorzüglich gefördert werden sollen. In Frankreich hat man schon seit 1947 Rahmenpläne für die Investitionen, in Holland seit 1956, Norwegen seit 1957, ganz zu schweigen von den Entwicklungsländern. Man kann sich dieser Notwendigkeit nicht mit der simplen Bemerkung entziehen, „der Finanzminister sei kein Branchenprognostiker“.

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