6732500-1966_04_13.jpg
Digital In Arbeit

Eine sozialistische Analyse

Werbung
Werbung
Werbung

ÖSTERREICHS WIRTSCHAFT ZWISCHEN OST UND WEST. Von Dr. Eduard Märt. Europa-Verlag, 1065. (Sammlung „Europäische Perspektiven.)

Der bekannte Publizist und Wis- senschaftler Eduard März, ein Schüler der bedeutenden Nationalökonomen Schumpeter und Sweezy, legt hier eine Sammlung seiner über zwei Jahrzehnte und viele Zeitschriften verstreuten Aufsätze vor, die er sehr treffend unter dem Titel „eine sozialistische Analyse” zusammenfaßt. Seine klare, marxistische Konzeption zieht sich durch alle Beiträge hindurch, so verschiedene Themen sie auch behandeln mögen.

Im ersten Abschnitt: die Entwicklung der österreichischen Wirtschaft von 1945 bis 1965, kommen die Ursachen des erstaunlichen Wirtschaftswachstums, die „reaktionäre Fiskalpolitik”, die zu wenig gezielte Agrarpolitik und vor allem die Frage der Integration zur Sprache. In diesem letzten Punkt stellt ich März weder auf die Seite der unbedingten Gegner, noch der ebenso unbedingten Anhänger der EWG, sondern er wägt die Nachteile gegen die Vorteile ab. Ganz neue Aspekte bringt er zum Problem der verstaatlichten Industrie und Banken in Österreich. Mit der berechtigten Kritik an der Investitions- und Kreditpolitik der letzten Jahrzehnte bekennt sich März als Verteidiger einer Programmierung, wie sie in west europäischen Staaten bereits seit Jahren durchgeführt wird.

Die besten Aufsätze enthält der theoretische Teil der Sammlung, allen voran seine Analyse der Schum- petenschen Entwicklungstheorie und seine kritische Sichtung der marxistischen Thesen, die er an Hand der neuen Wirtschaftstatsachen überprüft. Wohltuend ist seine Kritik an den oberflächlichen „Marx-Tötern”, die dessen Lehren meist nur aus Formulierungen zweiter Hand kennen. März erweist sich aber auch als Wirtschaftshistoriker. Seine Kritik an Benedikts „wirtschaftlicher Entwicklung der Franz-Joseph-Zeit” geht sachlich, aber unerbittlich mit der Oberflächlichkeit dieser Publikation ins Gericht und aeigt die Gründe auf, weshalb die Monarchie in der Wirtschaftsentwicklung des 18. Jahrhunderts hinter anderen Industrieländern so weit zurückblieb. In den neunziger Jahren bereits vollzog sich ln Österreich die Bevormundung der Unternehmer durch die Banken, und die Folgen dieser eigenartigen Erscheinung sind bis heute wirksam.

In der Einleitung legt März ein ökonomisches Bekenntnis ab: „Ein Zurück in die natürliche ökonomische Unschuld kann es allerdings nicht mehr geben. Und so ist damit zu rechnen, daß selbst in Österreich, wo man sich von sinnlos gewordenen Traditionen am allerschwersten zu trennen scheint, der Wirtschaftsbeirat und die von ihm gepredigte Philosophie einer integralen, das heißt in sich widerspruchsfreien Wirtschaftspolitik wieder zu Ehren kommen wird. Dies wäre in der Tat eine längst überfällige Anpassung an die Erfordernisse der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts.” Daß aber damit das Problem der Wirtschaftsordnung noch nicht gelöst ist, weil auch eine noch so weitgehende Programmierung den Kapitalismus mit seinen falschen Werten und Prioritäten nicht aufhebt, schärft März seinen sozialistischen Freunden als Mahnung ein, denn „eine mehr egalitäre Einkommensverteilung und die Lenkung der staatlichen Ausgabenpolitik im Sinne einer humanitären Lebensphilosophie sind in einer Klassengesellschaft, und sei diese noch so programmiert, nur sehr unvollkommen erreichbare Ideale.”

Die Essays von März haben einen Vorzug, der heute nicht hoch genug gewertet werden kann. Er versteht es, auch die schwierigsten theoretischen Probleme in einer einfachen, didaktischen Art darzulegen und in einer Sprache auszudrücken, die dem Leser gegenüber dem heute sehr häufig anzutreffenden Schwulst ein reines Vergnügen bereitet.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung