Pädagogisch "Nicht genügend"

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Leistungsbeurteilung durch Ziffernnoten stößt bei Experten auf wenig Sympathie.

Überwiegend negativ: Fragt man heimische Erziehungswissenschaftler, Didaktiker und Lehrkräfte um ihre Meinung zur Leistungsbeurteilung an Österreichs Schulen, dann hagelt es schlechte Zensuren. "Von Ziffernnoten, wie sie bei uns üblich sind, wird keine der Aufgaben einer sinnvollen Leistungsbeurteilung gelöst", geht Georg Neuweg, Professor am Institut für Pädagogik und Psychologie der Universität Linz mit der traditionellen Beurteilungspraxis hart ins Gericht: "Eigentlich sollten Zeugnisse Schülern Feedback geben - doch dazu bräuchte man inhaltliches Feedback. Zweitens sollte Feedback immer motivieren. Doch viele Schülerinnen und Schüler lernen der Note und nicht der Sache wegen. Und drittens sollten Noten eine Information für Dritte darstellen - für weiterführende Schulen oder künftige Arbeitgeber. Genau diese objektive Information bieten sie aber nicht." Darüber hinaus würden traditionelle Prüfungen immer einen Zeitpunkteindruck vermitteln, kritisiert Neuweg, und keinen aussagekräftigen Zeitraumeindruck. Seine Forderung: Weg vom Schwerpunkt auf punktuelle Prüfungen hin zur Aufwertung der Mitarbeitsbeobachtung.

Um den Schülern ein inhaltliches Leistungsverständnis nahezubringen, könnten die Ziffernnoten nach Meinung Neuwegs im Sinn der "direkten Leistungsvorlage" durch so genannte "Portfolios" ergänzt werden: Dabei handelt es sich um persönliche Leistungsmappen, in denen Schülerinnen und Schüler ihre besten schriftlichen, künstlerischen oder elektronischen Arbeiten eines Jahres sammeln. Eine Praxis, der sich das Bundesrealgymnasium Schloss Wagrain im Jahr 2000 als eine der ersten heimischen Schulen verschrieben hat. "Es geht darum, dass nicht eine einzelne Leistung im nachhinein gemessen wird, sondern eine individuelle Leistung fortwährend betreut wird", erklärt Erwin Rauscher, Direktor der Schule und selbst Lehrerbildner. Noten und Schularbeiten würden nicht abgeschafft, so Rauscher. Vielmehr fließe die Portfolioarbeit als schriftliche Mitarbeit in die Beurteilung ein.

Neue Wege der Leistungsbeurteilung werden vor allem an den heimischen Volksschulen beschritten. Mit gutem Grund, weiß Annemarie Fink, Lehrerin an der Volksschule Wolfurt in Vorarlberg: "Viele Kinder sehen Noten nicht als Feststellung ihrer Leistung, sondern nehmen sie persönlich." Um dem entgegenzuwirken, haben die Eltern an dieser Schule seit drei Jahren die Wahl zwischen einem Notenzeugnis und einem Zeugnisgespräch. In der vierten Klasse gibt es zusätzlich eine Bescheinigung, dass der betreffende Schüler reif fürs Gymnasium ist. Solche Gespräche hätten auch jenseits der Volksschule Sinn, glaubt Fink. "Aber die Gesellschaft ist süchtig nach Vergleichbarkeit. Und das geht nun einmal mit Noten viel besser als mit einem Gespräch." DH/claf

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