6749538-1967_22_03.jpg
Digital In Arbeit

Strukturpolitik: Die neue Welle

Werbung
Werbung
Werbung

Der vor kurzem ernannte Staatssekretär für struikturpolitische Fragen hat in seinen bisherigen Erklärungen nur sehr grobe Andeutungen über die von ihm einzuschlagende Richtung gegeben. Da schon seine Ernennung die Neugierde weckte, wie ein vom Wirtschaftsbund patronisierter Staatssekretär den erwarteten Übergang von globalen wirtschaftspolitischen Maßnahmen zu gezielten und differenzierenden (und damit zwangsläufig diskriminierenden) Aktionen finden werde, machen rein taktische Gesichtspunkte diese Zurückhaltung wohl auch noch für einige weitere Zeit durchaus plausibel.

Die in der Ernennung eines eigenen Staatssekretärs liegende formelle Rezeption der Strukturpolitik als legitime wirtschaftspolitische Zielsetzung wirft aber mehr Fragen auf als bloß die nach der taktisch und sachlich sinnvollsten Vorgangsweise. Daß das Problem einer Strukturbereinigung gerade jetzt solche Aufmerksamkeit findet, ist in erster Linie der gegenwärtig dominierenden Interpretation der wirtschaftlichen Situation zuzuschreiben. Die Verlangsamung des Wirtschaftswachstums in den letzen Jahren und die gleichzeitige Verschlechterung der Zahlungsbilanzsituation — Exporterlöse und Eingänge aus dem Fremdenverkehr reichen nicht mehr aus, um die ständig steigenden Importe zu bezahlen — führen gegenwärtig, so verpönt „monokausale“ Erklärungen sonst in der Ökonomie sind, zur immer gleichen Aussage: Das Schwergewicht der österreichischen Industrie liegt in den Bereichen, die unter weltweiten Überkapazitäten leiden, deren Produkte immer stärker durch neuere verdrängt werden und die daher insgesamt nur wenig weitere Expansionsmöglichkeiten haben. Das gelte vor allem für die Montanindustrie, ebenso auch für Papier- und Textilindustrie. Jene Bereiche, die sich in den letzten Jahren als hauptsächliche Motoren der wirtschaftlichen Entwicklung erwiesen haben, wie beispielsweise die Chemische Industrie und der Bereich der Elektrotechnik, seien in Österreich viel zu wenig vertreten.

Eine solche Interpretation drängt scheinbar die Folgerung geradezu auf, man müsse Förderungsmaßnahmen nicht nach dem Gießkannenprinzip (oder, um Dr. Koren selbst zu zitieren, mit dem Zuckerstreuer) auf gute und schlechte Unternehmen gleichermaßen verteilen und dadurch die Gefahr von Fehlinvestitionen nur noch erhöhen, sondern im Gegenteil bewußt die Umstrukturierung der österreichischen Wirtschaft fördern. Dies lasse sich am besten durch selektive Förderung der wachstumsträchtigen Branchen erreichen.

Auf sozialistischer Seite wurde dieser Gedanke mit den dort bereits vorhandenen Vorstellungen planwirtschaftlicher Lenkungsmethoden verknüpft. Soweit — was nicht die Regel ist — diese planwirtschaftlichen Vorstellungen konkretisiert werden, handelt es sich dabei meist um eine verhältnismäßig milde Form der Verbindung eines mittelfristigen Prognosemodells mit gezielten Eingriffen je nach den jeweiligen Wachstumschancen der Branche und der einzelnen Unternehmen. Zur Bereitstellung des erforderlichen Kapitals, und um sich von der als U'ltrakonservativ empfundenen Kreditvergabepraxis des österreichischen Kreditapparates lösen zu können, wurde die Schaffung einer zentralen Investitionsbank vorgeschlagen, deren Mittel parallel mit einer Senkung der Mindestreserven von den einzelnen Kreditinstituten zur Verfügung zu stellen wären.

Bis vor nicht allzulanger -Zeit waren — und sind in einzelnen repräsentativen Organen immer noch — die hauptsächlichsten Argumente gegen eine vermehrte Planung Hinweise auf die persönliche Freiheit und Menschenwürde, ferner darauf, wie schlecht es trotz zentraler Lenkung mit der Wirtschaft der Oststaaten bestellt sei, die überdies eben jetzt liberaler zu wirtschaften begännen, und daß eben Planwirtschaft mit Marktwirtschaft einfach nicht vereinbar sei.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung