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Argumente auf einer anderen Ebene

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Das sind aber Argumente, die auf einer völlig anderen Ebene liegen. Die Wahl dieser Verteidigungslinie hatte jedenfalls zur Folge, daß die sozialistische Seite, die diesen Argumenten in ideologischer Hinsicht nichts abgewinnen konnte, durch entsprechende Betonung des „rein Wirtschaftlichen“ und durch Einsatz ihres vorhandenen personellen Potentials an Wirtschaftsfachleuten auf parlamentarischer wie auf gewerkschaftlicher Ebene nicht zu unterschätzende optische Erfolge erzielen konnte, was nunmehr letztlich ja auch zur Aufnahme der Strukturpolitik in die wirtschaftlichen Zielsetzungen der Regierung beigetragen haben mag.

Auch die in Österreich institutionalisierten wirtschaftspolitischen Autoritäten konnten nichts dazu beitragen, diesem faktischen Zugzwang auszuweichen. Die Sprecher des Institutes für Wirtschaftsforschung sind denn doch zu gute Ökonomen, als daß ihre Argumentation auf dem durchschnittlichen Niveau der wirt-schaftspoiitischen Diskussion ohne Mißverständnisse brauchbar wäre. Abgesehen davon dürfte sie das letzte etwas unerfreuliche Zwischenspiel der Unterstützung des sogenannten „mittleren Kurses“, das dem Image des Wirtschaftsforschungsinstitutes nicht sonderlich gutgetan hat, zu verstärkter Zurückhaltung bewogen haben. Auch der Beirat für Wirtschafts- und Sozialfragen konnte zwar unter Beweis stellen, daß sein wesentliches Konstruktionsmerkmal, die Gewinnung gemeinsamer Stellungnahmen von Vertretern der Bundeskammer und der Arbeiterkammer, zwar nicht jede sachliche Arbeit schlechthin ausschließt, aber doch eine allzu große Konkretisierung der jeweiligen Vorschläge verhindert. Für die Sozialisten war es daher nicht allzu schwer, die Vorschläge des Beirates zu einem guten Teil in ihrem Sinn zu interpretieren.

Knapp vor der endgültigen Inthronisation der Strukturpolitik zum wirtschaftspolitischen Hauptfetisch der nächsten Jahre beginnen sich aber doch gelegentlich Bedenken zu regen. Wer weiß, welchen Ruf sich etwa der Abgeordnete Dr. Stari-bacher als Diskussionspartner in wirtschaftspolitischen Fragen erwerben konnte, den hätte die Härte des Widerstandes und der Gegenangriffe, die ihm vor kurzem anläßlich einer Diskussion mit jungen Ökonomen des ÖAAB unter Führung von Staatssekretär a. D. Dr. Taus entgegengesetzt wurde, überrascht. Dabei wurden Überlegungen vorgebracht, die der „genialen Einfachheit“ der strukturpolitischen Heilslehren der SPÖ einiges von ihrem Glanz nehmen dürften. Selbst wenn man nur wenige Argumente herausgreif t, die keine ökonomische Spezialkenntnisse erfordern, ergibt sich einiges: Wie man nunmehr zur Schaffung von Waehstumskemen den vorrängigen Ausbau der Branchen mit besonderen Zukunftschancen planen will, wurde in der Phase des Wiederaufbaues nach dem zweiten Weltkrieg ja schon einmal geplant. Die damals vorrangig ausgebauten Branchen, allen voran die Montanunion, sind aber gerade jene Bereiche, die nunmehr unter Strukturschwäche leiden.

Diese Feststellung braucht gar nicht als Beweis dafür zu dienen, daß auch in einer geplanten Wirtschaft beträchtliche Unsicherheitsmomente vorhanden sein können. Eine andere Lehre ist viel wichtiger: Die Spezifizierung einer Branche als „Wachstumsbranche“ gilt mit einiger Verläßlichkeit höchstens ein paar Jahre. Dann aber müßte die Strukturpolitik sich wieder völlig neuen Branchen zuwenden. Ist es nun sinnvoll, in jedem solchen Fall die bisherige Entwicklung einfach abzubrechen und statt dessen wieder die Wirtschaft neuerlich nach den Gesichtspunkten der Branchenzugehörigkeit umstrukturieren zu wollen? Neben der Branchenzugehörigkeit dürfte für die Behauptungsfähigkeit eines Unternehmens im Wettbewerb auch das jeweilige Produktionsprogramm — es gibt eher Wachstumsprodukte als Wachstumsbranchen — das jeweilige aktive oder passive Verhältnis des Unternehmers, seine Marktstrategie und die Effizienz seiner Organisation entscheidend sein. Warum haben in Österreich selbst Großunternehmen mit außerordentlichen Schwierigkeiten zu kämpfen, die einer typischen Wachstumsbranche wie der Elektroindustrie angehören, und warum sind einzelne österreichische Textilbetriebe durchaus international konkurrenzfähig? Die Branchen, in denen Weltfirmen, wie etwa Unilever oder Procter & Gamble, tätig sind, würde kein Mensch als Wachstumsindustrien bezeichnen. Und damit Umstrukturierungsmaßnahmen überhaupt Erfolg haben können, muß als unerläßliche Voraussetzung eine hohe Mobilität der Produktionsfaktoren Arbeit und Kapital gegeben sein. Ist aber eine solche einmal gegeben, dann wirken die Marktsteuerungskräfte selbst vielleicht viel schneller in Richtung der gewünschten Umstrukturierung. Mobilität der Produktionsfaktoren ist demnach mindestens genauso wichtig, und wenn irgendwelche Strukturmerkmale von besonderer Bedeutung sein dürften,dann wäre es die jeweilige Betriebsgröße.

Will man Österreichs Wirtschaft für die siebziger Jahre vorbereiten, dann muß man sich überdies statt um die Branchenzugehörigkeit der Unternehmen um diese Unternehmen selbst kümmern. Wichtiger sind Maßnahmen zur Steigerung der Arbeitsproduktivität, zur Realisierung und zur Herbeiführung eines aktiveren Marktverhaltens. Gerade diesbezüglich sollte man sich eher fragen, ob es sich nicht um ein Generationenproblem handelt, als die österreichischen Unternehmer pauschal der Unfähigkeit zu zeihen — noch dazu, wo es in den verwalteten Großunternehmen mit anonymer Kapitalstruktur diesen Unternehmertyp gar nicht mehr in der Form gibt, die sich die Sozialisten schon seit dem vorigen Jahrhundert zur Zielscheibe erkoren haben. Hier kämpfen sie gegen Windmühlen, die sie selbst gebaut haben.

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