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Struktur verbessern und nicht schützen

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Die Wirtschaftsstruktur Österreichs hat sich in den letzten Jahren gewandelt: in einigen Branchen mehr, in anderen weniger. Es gab viele Krisen und sicherlich werden sich auch zusätzliche kaum vermeiden lassen. Denn noch ist dieser Prozeß nicht abgeschlossen.

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Die Wirtschaftsstruktur Österreichs hat sich in den letzten Jahren gewandelt: in einigen Branchen mehr, in anderen weniger. Es gab viele Krisen und sicherlich werden sich auch zusätzliche kaum vermeiden lassen. Denn noch ist dieser Prozeß nicht abgeschlossen.

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Bisher konnte ein allgemeines, kräftiges Wachstum vieles verdek-ken. Diese Möglichkeit scheint nun aber für die Zukunft ausgeschlossen. Österreich braucht zweifellos dringend eine eigene, den geänderten Verhältnissen neu angepaßte Strukturpolitik. Zumindest sieht es so aus, als müsse die bestehende vorrangig restauriert werden.

Was muß überhaupt eine Strukturpolitik leisten? Wie sollte sie aussehen und wie durchgeführt werden?

Nun: Strukturpolitik bedeutet in erster Linie wohl, geeignete Maßnahmen zur Besserung der bestehenden Wirtschaftsstruktur aufzuzeigen und zu setzen. Wobei das Ziel einer solchen Wirtschaftspolitik wäre, die Stabilität des Preisniveaus abzusichern, einen hohen Beschäftigungsstand in der gesamten Wirtschaft zu garantieren und die Exporte sowie das Wachstum erfolgreich zu steigern.

Alle diese Zielvorstellungen - so jedenfalls scheint es in diesen Tagen - sind jedoch stark gefährdet. Die Situation unserer Wirtschaft ist zumindest kritisch geworden. Gerade die letzten ölpreiserhöhungen haben fast alle heimischen Wirtschaftsforscher gezwungen, ihre Prognosezahlen zu revidieren. So wurden dabei die Wachstumserwartungen auf maximal 2,5 Prozent zurückgenommen und die Inflationsprognosen auf rund fünf Prozent erhöht.

Die Verteuerung der Energiepreise hat neben ihrem direkten Einfluß auf die Inflationsrate auch noch einen direkten Effekt: Da die Handelspartner auch ein geringeres Wachstum haben, vermindern sich Österreichs Exportchancen. Die Exporte im weiteren Sinn werden nur mehr um vier Prozent - nach 10,5 Prozent im Jahr 1979 - wachsen. Während die heimische Wirtschaft, deren Exportstruktur noch immer stark von Grundstoffen und Vorprodukten geprägt ist, im Vorjahr vom Lageraufbau im Ausland profitierte, geht der „Boom" nun zu Ende.

Grundsätzlich kann nun eine Wirtschaft aber nur dann erfolgreich arbeiten, wenn auch die Strukturpolitik des Landes sich immer wieder den augenblicklichen Gegebenheiten anpaßt. Da für eine dynamische Marktwirtschaft ein ständiger Wandel ganz normal und sogar notwendig ist, bedeutet das, daß dieser Wandel auch durch die Politik, und zwar bereits in seiner Entwicklung, erkannt werden muß. Zusätzlich aber sollte Strukturpolitik auch bestimmte Stukturhilfen anbieten. Und sie sollte darüber hinaus noch die Funktionsfähigkeit des Wettbewerbs sichern, sowie letztlich die vielen regionalen Probleme durch entsprechende Maßnahmen lösen.

Geschieht das nun alles in Österreich?

Wenn man den Aussagen der Wirtschaft glaubt, so sind auf jeden Fall einige Korrekturen in der nächsten Zeit notwendig.

Es gibt kaum einen Industriebe-

reich, der derzeit nicht durch eine beispiellose Kostenexplosion mit einem großen Ertragsschwund zu kämpfen hätte. Neben den Energiekostensteigerungen, die zusätzlich erhebliche Folgekosten mit sich bringen, stehen die Arbeitskosten an erster Stelle. Dabei liegt das Problem weniger in dem hohen Lohnniveau, sondern vielmehr im Sozialbereich sowie in den Lohnnebenkosten. Daß gerade hier in den letzten Jahren die Belastungen sehr hart waren, darüber besteht wohl kaum ein Zweifel. Besonders in der Masse der Soziallasten sehen viele Unternehmer die meisten Schwierigkeiten.

Weitere Probleme liegen außerdem in dem Altersaufbau des Anlagevermögens. In vielen österreichischen Betrieben wären Neuinvestitionen dringend notwendig. Doch unter dem Kostendruck und den fehlenden Gewinnen hat natürlich geradezu zwangsläufig auch das Eigenkapital erheblich gelitten. So ist die Eigenkapitalbasis in den letzten Jahren ständig gesunken.

Ein weiteres, sehr ernsthaftes Problem zeigt sich heute sehr deutlich im Entwicklungs- und Forschungsbereich vieler österreichischer Unternehmen. Gerade hier muß mit Nachdruck eine strukturelle, aktivere Forschungspolitik gefordert werden. Neben einer besser als bisher direkt geförderten industriellen Gemeinschaftsforschung sollte auch jede Innovation indirekt durch Steuererleichterungen, vor allen Dingen in mittelständischen Betrieben, angeregt und somit verbessert werden.

Der Wettbewerbsrahmen innerhalb der Wirtschaft muß natürlich durch die österreichischen Unternehmer selbst bestimmt werden. Dazu gehört auch jede Strukturanpassung. Diese Entscheidungen darf auf keinen Fall der Staat übernehmen. Dagegen ist nichts einzuwenden, wenn die Strukturpolitik mit Ubergangshilfen und bei der Förderung von bestimmten Produktionsfaktoren oder bei der sozialen Absicherung schwieriger Strukturanpassungen ihre Hilfe anbietet.

Man denke in diesem Zusammenhang nur einmal an die schwierige Situation vieler Kleingewerbetreibender im Lebensmitteleinzelhandel oder an die Anpassungsprobleme kleinerer Handwerksbetriebe.

Warum sollte hier eine gute Strukturpolitik nicht - um nur ein Beispiel

zu nennen - vielleicht mit Umstellungskrediten oder aber mit Erleichterungen bei der Gewerbesteuer und durch die Schaffung neuer Informationshilfen nützlich eingreifen.

Strukturpolitik heißt ja auch, den Unternehmen ihre Stärken und Schwächen zu analysieren. Es ist aber falsch, wenn diese Politik nicht bereit ist, die Wirtschaft dahingehend aufzuklären, daß diese vielleicht heute noch Produkte erzeugt, die entweder nicht mehr gefragt sind oder aber in anderen Ländern billiger

hergestellt werden können. Hier sei nur einmal an *die heimische Textilindustrie erinnert.

Nach wie vor hat auch diese Branche noch Erfolge. Wohl aber nur dann, wenn die Qualitäten beziehungsweise die modischen Richtungen stimmen. Anders ist es jedoch, wenn es um Massenproduktionen geht. Dann hat diese Industrie heute kaum noch Erfolg. Das können andere Länder besser und billiger. Falsch und gefährlich wäre es nur, wenn die sicherlich gefährdete Branche Strukturpolitik mit Schutzpolitik verwechseln würde.

Eine gute Strukturpolitik hat viele Aufgaben. Es ist nicht damit getan, Gesetze zu schaffen, die zwar steuerliche Verbesserungsmöglichkeiten

bieten, letztlich jedoch nur eine sehr geringe Hilfe sind.

Strukturpolitik in dieser Zeit sollte vor allem Innovationspolitik sein. Die Entdeckung neuer Marktmöglichkeiten sollte - besser als bisher -gefördert und belohnt werden. Marktgerechte Produkte zu entwik-keln, das ist eine sehr kostspielige Angelegenheit. Und gerade auf diesem Gebiet sind die Klein- und Mittelbetriebe Österreichs benachteiligt. Entsprechende Schwerpunktprogramme, direkt zielgerichtet auf solche Unternehmen, könnten hier eine sehr nützliche Unterstützung sein, ohne den Wettbewerb zu verfälschen.

Strukturpolitik heißt aber auch rasch die Infrastruktur großzügig neu zu durchdenken. Zwar wurde hier in den letzten Jahren einiges geleistet, dennoch muß wohl die Anziehungskraft einiger leistungsschwacher Regionen vordringlich neu geordnet werden. Nach wie vor sind einige Verkehrswege ihrer Bedeutung

nach nicht genügend ausgebaut. Aber auch diese Tatsache schließt nicht aus, daß gerade durch die ständigen ölpreiserhöhungen wohl neue Berechnungen angebracht wären.

Eine gute Strukturpolitik verlangt ebenso, daß auch die Bildungs- und Sozialpolitik darauf abgestimmt wird. Nur dann, wenn auch hier in Zukunft mit mehr Kooperationsbereitschaft, vielleicht auch mit mehr Willen gearbeitet wird, kann dies für die Wirtschaft nützlich sein.

Die österreichische Strukturpolitik benötigt einen neuen, direkt auf die offenkundigen Schwierigkeiten der Wirtschaft ausgerichteten Stil. Einen Stil, der vom Geist der Partnerschaft und nicht von Machteinfluß geprägt sein soll.

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