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Wer den Wandel zurückweist...

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Ein für seine pointierten Äußerungen bekannter österreichischer Wirtschaftsfachmann meinte kürzlich, wenn ihn ein junger Mann frage — um den Titel eines Musicals zu gebrauchen —, „wie man was wird im Leben, ohne sich anzustrengen“, dann gebe er die Antwort: „Schreiben Sie die Strukturpolitik auf Ihre Fahne!“

In der Tat, es ist ein interessantes Phänomen — politisch ebenso wie psychologisch: Was wird nicht alles in dieses Wort hineingelegt, Hoffnungen, Wunschdenken,

Zwangsvorstellungen, verdrängte Komplexe. Die Strukturpolitik ist leider nicht nur zum rhetorischen Kleingeld geworden, sie ist auch zum Zauber- und Wundermittel hinaufgelobt worden, und der häufige Gebrauch des Wortes legt sogar die Vermutung nahe, man wolle den harten wirtschaftlichen Realitäten ausweichen.

Dabei wäre für Österreich nichts nötiger als eine Verbesserung seiner Wirtschaftsstruktur. Aber damit, daß auf „Ökonomischen Konferenzen“ und auch anderswo der Ruf ertönt, es müßten mehr Wachstumsindustrien her und man brauche eine „zweite Industrialisierungswelle“, ist es nicht getan. Auch nicht mit der Feststellung, daß Österreich kein Land von Skilehrern und Kellnern werden dürfe. So richtig diese zuletzt erwähnte Feststellung auch sein mag, so schwierig ist es, sie angesichts der gegebenen Umstände in unserem Land zu realisieren. Nützlich ist es auf jeden Fall, daß sich der Regierungschef jüngst einen eigenen Staatssekretär für Strukturfragen beigeordnet hat, der ein ge-, nauer Kenner der österreichischen Wirtschaft und zugleich frei von Illusionen ist.

Was ist denn diese bis zum Überdruß zitierte Strukturpolitik, wenn man sie des emotionalen Beiwerks entkleidet und auf ihren harten Kern zurückführt? Tatsache ist, daß die Struktur der österreichischen Wirtschaft insgesamt so verbessert werden muß, daß Österreich auch für die Bedingungen des härtesten Wettbewerbs gerüstet ist. Die unter dem Begriff „Strukturpolitik“ subsumierten Maßnahmen sollten vor allem das Ziel haben, die Steuerungselemente des Marktes und des Wettbewerbs zu kräftigen und von Hemmnissen zu befreien, die Leistungsfreude und die Phantasie aller für die Wirtschaft Tätigen anzuregen und dem kostbarsten Produktionsfaktor, nämlich dem Menschen, die höchstmögliche Qualifikation zu geben. Die Wirtschaft bedarf zwar der Spontaneität der Entscheidungen und der Ideen — das erfaßt man nun auch im Osten Europas —, aber die Wirtschaftspolitik darf nicht bloß „aus dem Handgelenk“, auf die vielgelobte pragmatische Weise, betrieben werden.

Wer die österreichische Wirtschaft und ihre Entwicklung seit 1945 kennt, wer die Statistiken studiert, dem ist klar, daß auch bei uns seit langem ein selbsttätiger Strukturwandel im Gange ist. Noch immer aber es gibt viele schwache Stellen, die im Zusammenwirken zwischen Wirtschaftspolitik, wettbewerbaufgeschlossener Unternehmeraktivität und verständnisvoller Haltung der gesamten Öffentlichkeit beseitigt werden können und müssen

Für die österreichische Wirtschaft ergibt sich die Kardinalforderung, daß ihre Erzeugnisse es In der Qualität und im Preis in der internationalen Konkurrenz aufnehmen können — sowohl auf den Märkten des Inlandes wie auf denen des Auslandes. Daher muß unsere gesamte Volkswirtschaft — nicht nur die Betriebe, sondern auch Forschung und Entwicklung, Wissen und Bildung, natürlich der große Bereich der „Infrastruktur“ — möglichst internationalen Standard haben. In diesem Zusammenhang wesentlich ist eine hohe industrielle Schwungkraft Österreichs.

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