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Die Revolution fand nicht statt
Mehr als zwanzig Jahre nach Gründung der staatlichen Einheitssyndikate Spaniens, die zwangsweise Arbeiter und Unternehmer zusammenschließen, gestattete ihnen die Staatsführung, sich eine neue „oberste, repräsentative und beratende Instanz“ zu geben: den Syndikatskongreß. Im vorigen Jahr tagte er zum erstenmal, zusammengesetzt aus teils ernannten, teils auf umständliche, Überraschungen ausschließende Weise gewählten Delegierten. Die erste, auf dem Führerprinzip fußende Phase im spanischen Syndikatswesen sei abgeschlossen, eine neue, demokratischere habe begonnen, wurde verkündet. Die „Organizadon Sindical“ (OS) habe nun nicht mehr bloß an Arbeitnehmer wie Arbeitgeber Anordnungen zu erteilen — wenn auch in den letzten Jahren in zunehmendem Maße die Meinung der Mitglieder berücksichtigt wurde — sondern ein nationales Syndikatsparlament sollte frei und öffentlich alle sozialen und wirtschaftlichen Probleme diskutieren, Vorschläge ausarbeiten, die über die „Nationalbewegung“ (die einstige Fa-lange) an das Staatsoberhaupt weitergeleitet würden, von dessen Gutdünken es freilich abhängt, ob, wieweit und wann sie in die Tat umgesetzt werden sollten.
Enttäuschte Erwartungen
In diesem Jahr trat nun der Kongreß vom 5. bis 10. März zum zweitenmal zusammen. Fragen von größter Wichtigkeit, wie die „Verbesserung der Syndikatsstruktur“ und „Kriterien für einen wirtschaftlich-sozialen Aufschwung der Landwirtschaft“, die seit Jahrzehnten fällige Agrarreform also, standen auf dem Programm, völlige Redefreiheit war von Jos6 Solis, der „Nationaldelegierter“ (oberster Leiter) der OS und Parteiminister in einem ist, zugesichert, mehr als 50 ausländische
Beobachter eingeladen worden, und darum entstand mancherorts der Eindruck, daß es diesmal wirklich zu einer revolutionären Veränderung im hiesigen Syndikatswesen kommen werde. Das um so mehr, als Madrid eben erst Verhandlungen über seine Assoziierung an die EWG angeregt hatte und der heftigste Widerstand gegen seine Aufnahme gerade von den europäischen Gewerkschaften ausgegangen war. Doch die Erwartungen waren zu hoch gespannt und entsprachen in keiner Weise dem, was aus der seit 23 Jahren bestehenden, wenig veränderbaren Situation sich jetzt entwickeln konnte. Krach im Regimelager
Einmal ist dabei zu bedenken, auf welche Weise die nicht von oben ernannten Kongreßdelegierten gewählt werden: Aus Dreiervorschlägen der Wähler suchen die OS-Behörden den ihnen jeweils genehmen Kandidaten aus, so daß in das Gewerkschaftsparlament wohl kein unbequemer Abgeordneter geraten kann. (Größere Toleranz wird bei „Wahlen“ in lokale Ausschüsse geübt.) Von dem Kongreß war also gewiß nichts Umstürzlerisches zu erwarten, so revolutionär auch mancher Antrag klingen mochte. Darum war auch das Projekt einer Strukturänderung der OS im Grunde recht zahm und wurde von unbedingt regimetreuen Personen verteidigt, die sicherlich nicht den Ast, auf dem sie sitzen, abzusägen gedenken. Und dennoch — selbst dieser harmlose Reformversuch, der hauptsächlich auf ein freieres Wahlsystem auch bei Besetzung höherer Syndikatsposten und auf eine größere Unabhängigkeit der OS vom Staat und der „Nationalbewegung“ abzielte, wurde verworfen und in aller Eile durch ein belangloses Projekt ersetzt. Wie es dazu kam, darüber zirkulieren bloß Gerüchte.
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