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Wer finanziert Jemens Krieg?

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Die Antwort auf diese Titelfrage lautet: zum größten Teil die atlantische Ländergruppe, in erster Reihe Westeuropa. Das Merkwürdige dabei ist, daß Westeurope gleichzeitig beiden kriegführenden Parteien Finanzhilfe gewährt.

Es besteht kein Zweifel darüber, daß der Imam von Jemen den Gegenangriff gegen das Regime von Sanaa mit saudi-arabischer militärischer und Geldhilfe eingeleitet hat. Das saudiarabische Gold stammt nun fast ausschließlich aus Abgaben für das dort gewonnene Rohöl und für den Transport durch die Rohrleitung. Nun gehört der Produzent, die ARAMCO, ebenso wie die Rohrleitung, amerikanischen Unternehmen; aber diese verkaufen fast das gesamte Rohöl in Westeuropa. Wenn also in den Preis die Abgaben an die Schatulle des Königs und vermutlich auch reichlich „Nebenabgaben“ eingeschlossen werden müssen, so geht dies zu Lasten des westeuropäischen Verbrauchers. Darin liegt an sich nichts Ungewohntes. Abgaben von 50 Prozent müssen in jedem Land entrichtet werden. Ei wäre bloß denkbar, daß die nicht gebuchten Nebenkosten in diesem Land wesentlich mehr ausmachen, als in anderen Rohölländern, wofür aber das Zahlenmaterial fehlt. Auch den genauen Betrag der Abgaben kann mar schwer errechnen, weil die Verrechnung zwischen der ARAMCO und den Hof von El Riad nicht unbedingt aul der Grundlage der „posted prices“ des Welthandels erfolgt. Über die Abgaber für den Transport in der TAP-Leitunj (Trans-Arabian Pipeline) weiß mar auch nichts Genaues. Fest steht bloß daß die Rohölgewinnung in Saudi-Arabien im Jahre 1962 nicht weit voi 65 Millionen Tonnen sein wird. Das bietet eine breite Grundlage für du Finanzierung eines Kleinkriegs.

Fest steht also, daß jeder Autofahrei zwischen Trondheim und Cadiz bei dei Tanksäule ganz unbewußt einen Obo lus in das Maul des Kriegsgottes legt und ein Teil des Inhaltes dieser riesigen „Sparbüchse“ gelangt sofort zum Heer des Imams.

Nassers Devisenschatz

Das Ägypten Nassers weist manche Merkwürdigkeiten auf. Es heißt VAR, ist aber mit keinem anderen arabischen Staat vereinigt, denn Syrien hat sich von ihm losgelöst und die anderen betrachten das Regime von Kairo mißtrauisch. Bloß das neue Regime in Sanaa blickt flehend zu diesem, weil es nur von dort Truppen samt Kriegsmaterial und Geldhilfe erhalten kann. (Letztere könnte wohl auch aus der Sowjetunion kommen, doch fehlen bis jetzt Anhaltspunkte dafür.)

Nun steckt Ägypten (es ist einfacher, dem Land seinen eigentlichen Namen wiederzugeben) in chronischen Devisennöten. Woher nimmt es die Mittel, um einen Krieg auf fremdem Gebiet zu finanzieren?

Gewiß hat es Einkünfte aus dem Suez-Kanal, aus dem Fremdenverkehr und der Ausfuhr seiner Baumwolle. Aber diese reichen nicht einmal für die Deckung seines Bedarfs für die laufende Einfuhr zu rein kommerziellen Zwecken aus. Das ergibt sich aus einer Zusammenstellung des ägyptischen Industrieministeriums. Bis Jahresende wird das Land auf Grund von staatlichen Abkommen insgesamt

224 Millionen Ägyptische Pfund erhalten haben, wozu noch 7,7 Millionen als Kredite an den privatwirtschaftlichen Sektor hinzukommen. Insgesamt also rund 332 Millionen Ägyptische Pfund gleich rund 3,3 Milliarden Franken zum Clearingkurs. Wer steuerte zu diesem hübschen Betrag bei?

Der größte Einzelbetrag stammte von Sowjetrußland, nämlich 80,9 Millionen Ägyptische Pfund, und weitere 7,5 Millionen kamen gleichfalls aus dem Ostblock, nämlich aus der deutschen Sowjetzone. Diese 68,4 Millionen Ägyptische Pfund stellen immerhin 30,5 Prozent der gesamten Kredithilfe an den Staat dar. Aus Westeuropa stammten:

Bundesrepublik 45,0 Mill.

Niederlande 5,3 Mill.

Schweden 1,0 Mill.

Ital-Meccanica 16,8 Mill.

Ital-Africa 17,5 Mill.

ENI (Mattei-Konzern) 17,5 Mill.

DTIP (Rohölverwertung) 7,3 Mill.

Schließlich gewährten die Vereinigten Staaten 3,3 Millionen, Japan 10,5 und Jugoslawien 7 Millionen Ägyptische Pfund Kredite. Gewiß handelt es sich fast zur Gänze um „gebundene“ Kredite (tied loans), die nur für bestimmte Zwecke dienen können und allesamt mit der Industrialisierung des Landes zusammenhängen.

Direkt kann also aus diesen Krediten kaum etwas für die Kriegführung verwendet werden. Aber ohne diese Kredite hätte Ägypten entweder auf die Einmischung in die inneren Fehden im Jemen oder auf die Industrialisierung des Landes verzichten müssen! Es ist kaum anzunehmen, daß Nasser die letzere geopfert hätte. Also ermöglichen ihm indirekt doch die insgesamt 113,7 Millionen Ägyptische Pfund „atlantische“ Kredite, sich in politische Abenteuer zu stürzen.

Wäre es nicht Zeit, zu prüfen, wem Westeuropa Kredite gewährt, und ob diese, wenn auch niemals direkt, nicht manchmal zur Befriedigung politischer Ambitionen dienen?

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