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Auf der Suche nach wahren Freunden im Osten

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Bosniens Premierminister Haris Silajdzic plädiert für Medienzensur - in gewissen Situationen: Nicht jede Meinung sei in dieser Kriegszeit angebracht.

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Bosniens Premierminister Haris Silajdzic plädiert für Medienzensur - in gewissen Situationen: Nicht jede Meinung sei in dieser Kriegszeit angebracht.

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Silajdzic weiß, wovon er spricht. Als zu Jahresbeginn das Parlament zu einer Sitzung zusammentrat, da hagelte es von manchen Volksvertretern „fundamentalistische Kritik” an der Politik des Westens gegenüber Bosnien. Abgeordnete forderten den Premierminister auf, sich den „wahren Freunden in Ankara, Teheran und Kuala Lumpur zuzuwenden”. Zeitschriften wie „Ljiljan” und „Avaz” verherrlichen längst die „wahren Lehren” des Islam und verdammen Schriftsteller wie Rushdie und Nasrin als „Verräter und Agenten westlicher Regierungen” — Töne, die auch das staatliche TV immer häufiger anschlägt.

Es ist vor allem die Direktorin des Staatsfernsehens, Amila Omersoftic, die sich offen gegen den politischen Kurs von Silajdzic stellt und den derzeit ausgehandelten Waffenstillstand als „fatalen Fehler” kritisiert. Ihre Begründung: Die serbischen Aggressoren hätten durch ihren Schachzug, den amerikanischen ExPräsidenten Jimmy Carter für den Bosnienkonflikt einzuspannen, ihre politische Isolation auf der internationalen Polit-Bühne überwunden. Die Serben würden nun erneut ihre Friedensbemühungen diktieren und ihre Forderung nach einem größeren Anteil an der Kriegsbeute werde vom Westen schon stillschweigend gebilligt. Dies hätte Silajdzic verhindern können, hätte er auf den Rat der Militärs gehört und den Kampf „bis zur Befreiung” fortgesetzt.

Gegen diese Kritik hat die bosnische Regierung einen schweren Stand. Bei einem Besuch des stellvertretenden US-Außenministers

Bichard Holbrooke vergangene Woche in Sarajewo sickerte durch, daß die internationale Staatengemeinschaft den jüngsten Friedensplan einer Teilung Bosniens in zwei etwa gleich große Teile - 51 Prozent für Kroaten und Bosniaken, 49 Prozent für die Serben - nicht mehr länger aufrechterhalten will. Die Amerikaner gestehen den Serben das Recht zu, den Genfer Plan lediglich als „Basis” für weiterführende Verhandlungen anzusehen, nicht aber als „letztes Ultimatum”, woran bisher die internationale Kontaktgruppe festhielt.

In Sarajewo befürchtet man nun, daß Serbenführer Radovan Karadzic möglicherweise 64 Prozent des Territoriums zugesprochen bekommt und seine Mörderbanden gerade noch knapp zehn Prozent ihrer Eroberungen abtreten müssen. Karadzic prahlt denn auch: Es werde nicht mehr lange dauern, bis Sarajewo geteilt werde und die ostbosnischen Enklaven Srebrenica, Gorazde und Zepa seinem Reich zugesprochen würden.

Auch die kroatische Seite zeigt sich kämpferisch: General Janko Bo-betko, Oberkommandierender über 100.000 Soldaten, fordert die „Wiederherstellung der kroatischen Souveränität” und eine „Zerschlagung des serbischen Pseudostaates Krajina”. Und sogar nach Bosnien hinein will er seine Armee marschieren lassen, sollte dort kein „gerechter Friede” gefunden werden.

Begierungschef Silajdzic, der gegen diese verhärteten Positionen ankämpft, erlitt auf verbaler Ebene eine Niederlage: Seine eigene Partei, die „Demokratische Aktion Bosniens”, rügte sein Vorhaben, das staatliche Fernsehen auf moderaten Kurs zu bringen. Die Partei stellte sich hinter Intendantin Amila Omersoftic und forderte „schonungslose Kritik am zynischen Kurs westlicher Regierungen”, die kriegsgebeutelte Republik sich selbst zu überlassen.

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