Der späte Frühling des Alexander Gauland

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Jüngst sorgte der AfD-Politiker Alexander Gauland mit Äußerungen über einen farbigen deutschen Fußballer einmal mehr für Aufregung. Der einstige CDU-Mann, konservative Publizist und nonkonformistische Intellektuelle mutierte über die Jahre zum Rechtspopulisten.

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Jüngst sorgte der AfD-Politiker Alexander Gauland mit Äußerungen über einen farbigen deutschen Fußballer einmal mehr für Aufregung. Der einstige CDU-Mann, konservative Publizist und nonkonformistische Intellektuelle mutierte über die Jahre zum Rechtspopulisten.

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Als CDU-Staatssekretär im Bundesland Hessen Ende der 80er-Jahre galt Alexander Gauland als Mann für den Hintergrund, für die erste Reihe nicht geeignet. Nach 40 Jahren kündigte er seine Mitgliedschaft bei der CDU und war Gründungsmitglied der Euro-kritischen "Wahlalternative 2013". Heute ist er Stellvertretender Sprecher der Alternative für Deutschland (AfD) und Landesvorsitzender der AfD in Brandenburg. Mit 75 Jahren steht er auf dem Zenit seines politischen Erfolges und gilt als Grandseigneur der Bewegung, die rechts von CDU und CSU entstand. Flirts mit anderen rechtspopulistischen Parteien in Europa ist er nicht abgeneigt. Doch wer ist dieser "freundliche Scharfmacher"(Der Tagesspiegel), der ja seit Beginn der 70er-Jahre als politischer Publizist und seltener Fall eines konservativen Intellektuellen tätig war und der über Jahrzehnte auch vom politischen Gegner geschätzt wurde?

Antikapitalistische Grundhaltung

Gaulands schriftstellerische Tätigkeit begann mit seiner 1971 erschienenen völkerrechtlichen Dissertation "Das Legitimitätsprinzip in der Staatenpraxis seit dem Wiener Kongress". Fortan verfasste er verschiedene Bücher, darunter seine "Anleitung zum Konservativsein" (2002). Nach seiner Zeit als Staatssekretär in der hessischen Staatskanzlei unter dem CDU-Ministerpräsidenten Walter Wallmann war er Herausgeber und Geschäftsführer der Märkischen Allgemeinen.

Schon in den 1989 bei Suhrkamp erschienenen Porträts englischer Denker und Politiker der vergangenen drei Jahrhunderte äußerte sich Gauland hin und wieder zur aktuellen Politik. Geistige Führung sei "keine politische Phrase", schreibt er, während er sich von "jener öden Funktionärsherrschaft" abgrenzt, "die sich im 20. Jahrhundert in allen Parteien breitgemacht hat". Eine gewisse antikapitalistische Grundhaltung und Wendung "gegen die Ökonomisierung des Politischen" wurde auch damals schon deutlich. Heute scheut sich der AfD-Mann nicht, im Wählerlager der Linkspartei zu fischen. Mit einer gewissen gutsherrlichen Attitüde widmet er sich den "kleinen Leuten".

Damals wie heute sind die Feindbilder seines Konservatismus "die zunehmende Ökonomisierung", der "Multikulturalismus" und "die Globalisierung von Markt und Menschenrechten":"Denn die Eine-Welt-Ideologie, der Traum von einer durch die Globalisierung demokratisch wiedervereinigten Menschheit, ist nicht weniger utopisch und keine geringere Gefahr für die historische Existenz von Staaten und Völkern als der untergegangene sozialistische Wahn."

Reinen Verfassungspatriotismus findet der Autor blutleer. Halt fänden die Menschen in gemeinsamen Glaubensüberzeugungen, kulturellen Überlieferungen und traditionellen Lebenswelten. Zuwanderung, so Gauland schon 2002, müsse der "kulturellen Verdauungsfähigkeit einer Gesellschaft" angepasst werden.

Viel Verständnis zeigte der westdeutsche Konservative aber vor 14 Jahren noch für die Menschen in den neuen Bundesländern, die sich nach der Heimat DDR sehnten. Davon profitiere die PDS, die nicht die Schattenseiten des Regimes in der DDR mit Mauer und Schießbefehlt erwähne, sondern daran erinnere, dass die DDR auch "auf ihre autoritäre Weise eine neue Heimeligkeit und Übersichtlichkeit produziert habe".

Die Schwäche der Volksparteien

Genau dies will Gaulands AfD heute all denen in Ost-und Westdeutschland bieten, die sich nach der vermeintlich guten alten Zeit sehnen. Schon als Publizist vertrat Gauland einen rückwärtsgewandten Konservatismus. Rezepte für die Zukunft: eher Fehlanzeige. Daran hat sich nicht viel geändert, denn die Zukunftskonzepte der AfD sind allerhöchstens vage. Und wenn sie nicht vage sind, dann erscheinen sie mitunter gefährlich. In seinem Buch "Die Deutschen und ihre Geschichte"(2009) schrieb Gauland, dass die Schlüsselworte der westdeutschen Gesellschaft Stabilität und Konsens gewesen seien. Die Geschichte der Bundesrepublik sei historisch gesehen "eine ununterbrochene Erfolgsgeschichte" gewesen.

Gauland und die AfD laufen nun Gefahr, diese Stabilität zu gefährden. Doch schuld an dieser Entwicklung tragen auch zwei immer kleiner werdende "Volksparteien", CDU und SPD, die immer weniger zu wissen scheinen, was "die Menschen da draußen im Lande" wirklich bewegt.

Der Autor ist Fraktionsgeschäftsführer der CDU in der nordrhein-westfälischen Stadt Remscheid und lebt und arbeitet als freier Publizist in Bonn

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