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Ein politisches Credo

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Wie bei sachlichen Diskussionen üblich, hat der Autor der „Bamberger Thesen“, Bundesminister a. D. und Vizebürgermeister der Stadt Wien Dr. Heinrich Drimmel, das Recht, ein Schlußwort zu sprechen. Im Verlauf der Diskussion (Nr. 29 und 33/1965 der „Furche“) kamen außer Dr. Drimmel noch Josef Puchner, Professor Walter Pollak und Dr. Norbert Leser zu Wort.

Die Redaktion

Mein Bericht über die Bereitstellung der politischen Kräfte am Vorabend der heurigen Wahlen in den Bonner Bundestag (die „Furche“ hat Ihn der Nummer 29/1965 unter dem Titel „Bamberger Thesen“ abgedruckt) hat zwei Hauptsätze enthalten:

• Die Front der Christlichsozialen und christlichen Demokraten reicht von den sogenannten Linkskatholiken bis zu den Kommunisten und von den Sozialdemokraten bis zu jenen Liberalen, für die es nur rechts, niemals aber links einen Gegner gibt.

• Allen diesen im Grunde sehr verschiedenen Gruppen und Formationen ist eine Absicht gemeinsam: Sie wollen den Glauben neutralisieren und als Kriterium politischer Entscheidungen aus dem öffentlichen Leben entfernen. Die Widersprüche, die gegen die beiden Thesen mündlich und schriftlich erhoben worden sind, waren zahlreich und heftig. Das ist verständlich, denn wir stehen hier an einer Front wichtiger Entscheidungen.

Ich kann es verstehen, daß jene gewissen, von mir denunzierten liberalen Kreise, die dem Katholizismus noch niemals grün gewesen sind, im Grund auch für eine Nachbarschaft zu einem „Linlcskatholizismus“ nicht viel übrig haben können; und wenn auch der Kommunismus für die „lojal'nye kapitalisti“ einigen Lohn bereit hält, so ist ihnen diese Nachbarschaft doch recht unheimlich. Der demokratische Sozialismus begrüßt das Sperrfeuer, das der Kommunismus auf die Abschnitte der gemeinsamen Gegner auch der Rechten legt, aber er will es um keinen Preis erkannt wissen, daß er diesem Feuerschutz auch in der freien Welt des Westens viele schöne Erfolge verdankt, zum Beispiel bei der Wahl des Staatsoberhauptes in Italien. Und die Linkskatholiken sind inzwischen soweit nach links abmarschiert, daß sie den Geruch der Linken, den sie nicht mehr aus den Kleidern bekommen, nicht riechen.

Warum halten dann diese politischen „widernatürlichen Ehen“ überhaupt? Es handelt sich dabei, so müssen wir antworten, nicht nur um Aktionsgemeinschaften, die fallweise politischen Zweckmäßigkeiten Rechnung tragen, sondern um prinzipielle Notwendigkeiten. Wenn der Liberalismus als die immanente Erlösung von Mensch und Gesellschaft verstanden wird, ist der Kommunismus zweifellos sein radikalster Ausdruck (Eric Voegelin). Harold J. Laski, 1945/46 beim Sieg der britischen Arbeiterpartei über Winston Churchill Parteivorsitzender, sagte um diese Zeit, das Prinzip des Kommunismus gehe tiefer als das christliche, weil es „die Erlösung für die Massen durch Erfüllung im Diesseits sucht und dadurch die wirkliche Welt, die wir kennen, neu ordnet (sie)“. Hans Kelsen, dessen Ideen die österreichische Bundesverfassung 1920 geformt haben, sieht den Bolschewismus, wo er ein „frei gewähltes System ist“, ganz in der Linie des Liberalismus. „Wo die Glieder eines Staates nichts anderes kennen als geschlossene Unterwürfigkeit unter den Diktator, geschieht ihnen in autoritären Maßnahmen recht, selbst dann, wenn die Staatsautorität die freiheitlich Denkenden kalt niederschlägt“ Wir wissen, daß Kelsen diese These auch angesichts der Löwenlösung des Nationalsozialismus aufrecht erhält.

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