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Jonas

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Der vierte Bundespräsident der Zweiten Republik heißt Franz Jonas. In einem dramatischen Rennen Kopf an. Kopf konnte am vergangenen Sonntag im Endspurt der Wiener Bürgermeister Altkanzler Dr. Alfons Gorbach um nicht mehr, aber auch um nicht weniger als 63.482 Stimmen überholen. 2,324.474 Österreicher hatten ihm ihr Vertrauen geschenkt.

Die Kräfte der „Tradition“ und das in den letzten Jahren schon stark angezweifelte „Gleich-gewichtsdenken“ der österreichischen Wähler erwiesen sich letzten Endes doch stärker als die konzentrierten Anstrengungen der österreichischen Volkspartei, eine politische Durchbruchsschlacht zu schlagen. So blieben auch ihrem Kandidaten trotz seines schonungslosen Einsatzes die Früchte des Kampfes versagt. 2,260.992 Stimmen sind jedoch mehr als nur ein Achtungserfolg. Das Vertrauen, das aus ihnen spricht, mögen für Doktor Gorbach, der die Medaillen, aber auch die Narben vieler politischer Schlachten mit Anstand zu tragen versteht, eine tiefe persönliche Genugtuung sein.

Es war ein Wahlsonntag mit einer Reihe von Überraschungen. Die erste Vorentscheidung war gefallen, als sich zeigte, daß es Bürgermeister Jonas doch gelungen war, vor allem in den westlichen und südlichen Bundesländern besser „anzukommen“, als zu erwarten war. Was aber war vor allem in der Steiermark los? Daß die politische Heimat Dr. Gorbachs mit Mehrheit für Jonas votierte, war wohl die Überraschung. Sind doch gerade aus der grünen Mark mitunter Töne eines rauhkehligen Antimarxismus zu vernehmen, der mit allem, was jenseits des Semmerings liegt, hart ins Gericht geht. Außerdem wurden hier vielleicht stärker noch als in anderen Ländern die Netze ausgelegt, um eine bestimmte Art von Wählern für Dr. Gorbach zu gewinnen. Das Ergebnis ist ein nicht gerade überzeugendes Plädoyer für diese Politik.

Sollte das Wahlergebnis in der Steiermark die Auguren der Volkspartei zu Überlegungen anregen, so wird im sozialistischen Lager das Ergebnis in Jonas' „eigener Stadt“ vielleicht zu denken geben.

Welche Wähler brachten die Entscheidung? Die Frage ist müßig. Wahlzettel kann man nicht rönt-genisieren — weder die gültigen noch die 94.095 ungültigen, von denen zwei Drittel leicht das Votum hätten korrigieren können. Auch sind jene schlecht beraten, die mit einem Wiener Montagblatt die Meinung vertreten, daß es „die Kommunisten sind, die in Österreich den Bundespräsidenten bestimmen“. Eine solche Aufwertung wäre wohl nicht im Sinn der Erfinder. Und die Freiheitlichen? Nichts Neues: ein Drittel schwarz, ein Drittel weiß, ein Drittel rot. Schwarz-Weiß-Rot, ein altes nationales Farbenspiel.

Ein letztes: Nicht wenige Katholiken empfinden es als schmerzlich, daß auch der kommende Bundespräsident nicht ein Mann ihres Glaubens ist. Sie werden dem österreichischen Staatsoberhaupt aber, ohne Zweifel jene Loyalität entgegenbringen, die dem Repräsentanten unseres Vaterlandes gebührt. Loyalität um Loyalität. Wenn in der Stunde des Abschieds einstens dieselben Worte fallen wie für Franz Jonas' Vorgänger im Amt, so wird dies ein Zeichen sein, daß das neue Staatsoberhaupt das gehalten hat, icas er in der Stunde seiner Wahl zu werden versprach: ein Bundespräsident für alle Österreicher.

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