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Kardinal Ruffinis Sinnesänderung

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Die Position der Kirche gegenüber den Linkssozialisten Nennis ist nicht mehr die gleiche wie vielleicht vor einem Jahr. Die Wandlungen kommen in den letzten Äußerungen hoher Kirchenfürsten zum Ausdruck, die bisher als „konservativ“ gegolten hatten. Der Kardinal von Palermo, Ruffini, der noch im Sommer 1960 nicht nur die Sozialisten, aber auch die mit diesen zusammenarbeitenden sizilianischen Christlichsozialen, verurteilt hatte, scheint nun, da die „Öffnung nach links“ auf der Ebene der sizilianischen autonomen Regionalregierung Wirklichkeit geworden ist, von dem Gang der Dinge ziemlich befriedigt zu sein. Einer Wochenzeitung erklärte er jetzt: „Wir müssen Christen sein, aber zugleich auch Realisten. Freilich wäre es das Ideal, wenn die guten Katholiken ihr Sozialprogramm, das vollständig und alle gegenwärtigen Sozialprobleme zu lösen imstande ist, allein verwirklichen könnten. Aber wenn sie nicht die absolute Mehrheit erreichen, sind sie leider gezwungen, Unterstützung dort zu nehmen, wo ein Einvernehmen am leichtesten zu erreichen ist.“ Und er fügte hinzu: „Man kann nicht von vornherein alle jene zurückweisen, die, auch wenn sie vom gegenseitigen Ufer herüberkommen, mit uns einen guten Teil der Straße zusammen zurücklegen wollen. Es ist nur notwendig, daß sich unsere zeitweiligen Reisegefährten. der Religion und den Forderungen des Glaubens und der Moral gegenüber respektvoll erweisen."

Das ist doch ein eindeutiges „placet"des Erzbischofs von Palermo dem sizilianischen Bündnis gegenüber, obwohl es im Widerspruch steht mit einer Erklärung des sizilianischen Episkopats vom vergangenen Februar, in der die Zusammenarbeit zwischen Katholiken und Sozialisten sogar in den Gemeindestuben mißbilligt wurde. Der Erzbischof von Mailand, Kardinal Montini, hatte auf der Diözesansynode im vergangenen Jahr erklärt: „Wir haben unseren Klerus auf das bestehende Verbot verweisen müssen, die sogenannte .Öffnung nach links' nicht zu fördern. Wir sind etwas in Sorge wegen einiger in bestimmten Laiengruppen immer noch bestehenden Tendenzen: Ihre Bezauberung vom Sozialismus verwundert uns und stimmt uns traurig.“ Aber der politische Augenblick war damals ein anderer gewesen. Im Dezember 1961 feiert der Erzbischof von Mailand in Metanopo- lis, der Stadtgründung des Erdölkönigs Enrico Mattei, den anwesenden Regierungschef Fanfani, den Mann der „Öffnung nach links“, als einen Mann, der die Regierung „mit soviel Klugheit und Energie führt, und mit soviel Sinn für die wiedergewonnenen zivilen Freiheiten unseres Landes“. Auch der Präsident des staatlichen Erdöl-Holdings E. N. L, Mattei, dessen Vorurteilslosigkeit gegenüber der Linken hinlänglich bekannt ist, bekam seinen Teil an dem Lob ab. Unter den katholischen Laien ist eine Stimme des Konsults der katholischen Vereinigungen im Patriarchat Venedig bemerkenswert, welche die christlich-demokratisch-sozialistische Allianz in der Geschichte gutheißt.

Den Gegnern der Verbündung mit den Linkssozialisten würde es allerdings nicht schwerfallen, mit anderen Stimmen aufzuwarten, die sich absolut negativ in bezug auf Nenni und die Seinen aussprechen, dem Bischof von Novara zum Beispiel, der drastischen Position der Kurie von Pisa gegen den linken Flügel der DC, während wieder der Bischof von Bergamo, der mit dem Papst freundschaftlich verbundene Ugo

Piazzi, als Anhänger der Politik Fan- fanis auftritt. Der Präsident der Katholischen Aktion Italiens, Malta- rello, ist gegen die „Öffnung“, und daher hat sein Organ in Rom. der „Quotidiano“, den Justizminister Go- nella verteidigt, wo ihn die Schwesterblätter in Bologna und Mailand verurteilten.

Auffangstellungen für eine zweite katholische Partei?

Man sieht, auch im italienischen Episkopat, im hohen Klerus und unter den katholischen ĄtoĮstejt . sind, die Meinungen geteilt, und manche wollen auf diesen Umstand das Fehlen einer präzisen Stellungnahme der Bischofskonferenz zurückführen. Wahrscheinlicher aber ist, daß diese den Willen des Papstes respektieren wollte; dem vor allen anderen Dingen um die Einheit der Katholiken auch in politischer Hinsicht zu tun ist, der kein präventives Eingreifen der Kirche in die inneren Angelegenheiten der Christlichen Demokratie wünscht. Giuseppe Siri, der Vorsitzende der Konferenz, hat sich daher nicht den Vorschlag des Sekretärs des heiligen Uffiziums, des Kardinals Alfredo Ottaviani, zu eigen gemacht, der ein Machtwort der Bischofskonferenz zu dem bevorstehenden Parteikongreß der DC für opportun fand. Ottaviani gilt heute als Exponent der allen Experimenten mit den Linksparteien abholden Kräfte, er hat dem „Osservatore Romano“ im vergangenen Jahr die berühmt gewordenen „Festen Punkte“ diktiert, die eine Zusammenarbeit jeder Art, auch mit den demokratischen Sozialisten, ablehnten.

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